Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brandwache

Brandwache

Titel: Brandwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
Vom Netzwerk:
Handgelenk.
    Der Ausschlag schmerzte unerträglich unter dem Armband. Mein
Handgelenk begann, anzuschwellen und um das Metall rosarot
aufzuplatzen. Ich versuchte, mich mit der anderen Hand zu befreien,
aber sein Griff war ebenso eisern und unerbittlich wie der Ausdruck
in seinem Gesicht.
    »Octavia war auch auf der Samurai-Party letzte Woche im
Schlafabteil der Knaben«, sagte er zu der Dormentmutter.
    »Das ist nicht wahr«, keuchte ich. Ich konnte kaum
sprechen. Sein Griff schmerzte mich so, daß ich glaubte,
ohnmächtig zu werden.
    »Es fällt mir schwer, das zu glauben«, sagte die
Dormentmutter, »weil sie ein Alarmarmband anhat.«
    »Meinen Sie das hier?« fragte er und drehte mir den Arm
nach oben. Ich schrie auf. »Dieses Ding?« Er drehte es um
mein Handgelenk. »Sie kann es abnehmen, wann immer sie will.
    Haben Sie das nicht gewußt?« Er ließ mein
Handgelenk los und bedachte mich mit einem verächtlichen Blick.
»Tavvy ist zu gewitzt, um sich von einem lächerlichen
Alarmarmband von dem abhalten zu lassen, was sie tun will; hab’
ich nicht recht, Tavvy?«
    Ich preßte mein pochendes Handgelenk gegen meine Hüfte
und bemühte mich, nicht ohnmächtig zu werden. Es ist
nicht wegen des Viehs, dachte ich wild. Nur wegen dem Vieh
würde er mir nie so etwas antun. Es ist etwas Schlimmeres.
Schlimmeres. Er darf es nie, nie zurückbekommen.
    »Das Signal der Shuttle«, sagte die Dormentmutter.
    »Octavia, deine Privilegien während der Ferien sind
hiermit widerrufen.«
    Brown schoß einen triumphierenden Blick auf mich ab und
folgte ihr hinaus.
    Ich benötigte meine ganze Kraft, um zu warten, bis die letzte
Shuttle abgelegt hatte, und erst dann zu gehen, um das Tessel zu
holen.
    Ich trug es mit meiner gesunden Hand ins Zimmer zurück. Der
Restrikt störte mich kaum. Ich hatte ohnehin keinen Ort, an den
ich hätte gehen können. Und das Tessel war in Sicherheit.
»Alles ist in Ordnung«, sagte ich zu dem Tier.
    Nur, daß gar nichts in Ordnung war. Henra, die hübsche
Schwester, stellte sich als nicht hübsch heraus. Ihre Haare
waren so kurz geschnitten, wie es sich mit einer Schere nur
bewerkstelligen läßt. Sie war im Gesicht krebsrot
angelaufen und schrie. Zibets Gesicht war kalkweiß geworden,
und es blieb weiß. Nachdem ich ihren Blick gesehen hatte,
glaubte ich nicht, daß sie nochmals weinen würde. Ist es
nicht wunderbar, wie einen ein einziges Semester im College
verändern kann?
    Restrikt oder nicht; ich mußte von hier verschwinden. Ich
nahm meine Bücher an mich und eilte in den Waschraum. Ich
entwarf zwei Testamente, las drei Lehrbücher und schrieb alle
meine Aufzeichnungen noch einmal ab; wie Zibet es getan hatte.
    Er hat mir die Haare abgeschnitten. Er hat gesagt, daß
ich Männer in Versuchung führe; und daß es deswegen
geschähe. Dein Vater hat nur versucht, dich zu schützen.
Komm’ zu Papa.
    Ich stellte alle Schleudern zugleich an, so daß ich meine
Gedanken nicht hören konnte, und tippte die Testamente ins
reine. Ich datierte sie auf den letzten Tag der Ferien und knirschte
mit den Zähnen, um die Gedanken an Brown, die Tessel, an alles
zu übertönen.
    Zibet und ihre Schwester kamen in den Waschraum hinunter, um mir
mitzuteilen, daß Henra mit der ersten Shuttle zurückkehren
werde. Ich sagte Aufwiedersehen. »Ich hoffe, daß du
wiederkommst«, sagte ich und war mir dessen bewußt, wie
dumm es sich anhörte; mir dessen bewußt, daß mich
nichts in der Welt dazu gebracht hätte, auf Marylebone Weep
zurückzugehen, wenn ich Henra gewesen wäre.
    »Ich werde wiederkommen. Sobald ich versetzt bin.«
    »Es sind nur noch zwei Jahre«, sagte Zibet. Vor zwei
Jahren hatte Zibet dasselbe süße Gesicht wie ihre
Schwester jetzt gehabt. In zwei Jahren würde Henra ebenfalls wie
eine aufgewärmte Leiche aussehen. Was für ein Spaß es
sein muß, in Marylebone Weep aufzuwachsen, wo man mit Siebzehn
ein Wrack ist.
    »Komm’ mit mir zurück, Zibet«, sagte
Henra.
    »Ich kann nicht.«
    Es war Zeit, sich hinzuhauen. Ich ging in die Stube, warf mich mit
einem Stapel Bücher auf die Koje und fing an zu lesen.
    Das Tessel hatte vor dem Bett auf dem Boden geschlafen, die
klaffende rosa Vagina hochgereckt. Jetzt krabbelte es mir in den
Schoß und legte sich nieder. Ich hob es hoch. Es wehrte sich
nicht. Obwohl es mit im Zimmer lebte, hatte ich es mir nie wirklich
genau angeschaut. Jetzt sah ich, daß es sich nicht wehren
konnte, selbst wenn es gewollt hätte. Es hatte schwache kleine
Pfoten mit weichen rosa

Weitere Kostenlose Bücher