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Brandwache

Brandwache

Titel: Brandwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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diskutierten mit ihnen über das Wetter. Der feine Dunst war
zu einem dünnen Schleier geworden, der beinahe den Jupiter
verdeckte, obwohl seine Monde durch Paulos’ Teleskop noch
schwach zu erkennen waren.
    Meg badete Laynie und steckte sie ins Bett. Sie wusch das
ketchupverschmierte T-Shirt und die schlammverkrusteten Söckchen
aus und hängte alles über den Duschvorhang im Bad. Dann
machte sie sich selbst fürs Bett fertig und stellte das TV
an.
    Sie bekam eine Station aus Helena herein. Helena war über den
frühen Morgennebel betrübt. Sie warnten Lewiston und
Grassrange. Offenbar hatte Helena den Dunst ebenfalls nicht bemerkt.
Im Studio war ein Meteorologe aus Denver zu Gast. Er erläuterte,
wie die Russen während der letzten Eklipse Wolken besprüht
hatten, um eine perfekte Sicht durch eine dichte Wolkendecke zu
erreichen. Er sagte, die moderne Technik habe es noch nicht zu jener
Ausgereiftheit in der Wetterkontrolle im Nordwesten gebracht, die
aufgrund der komplizierten arktischen Luftströmungen
erforderlich sei, aber es seien bereits Pläne für die
Sonnenfinsternis auf Hawaii in Entstehen, die zu der Hoffnung
berechtigten, das Wetter künftig nicht nur voraussagen, sondern
den Menschen auch gutes Wetter garantieren zu können, die so
weit gereist seien, um dieses Naturwunder mit eigenen Augen zu
erleben.
    Meg stellte das TV aus und ging zu Bett.
    Um fünf Uhr dreißig wachte sie steifgefroren auf. Die
Tür des Motelzimmers stand offen. Sie zog den Mantel an, deckte
Laynie sorgfältig zu und ging hinaus.
    Es fing eben an, hell zu werden. Rich und Paulos standen mit den
Händen in den Hosentaschen herum; sie sahen ganz
unglücklich aus.
    Die rothaarigen Jungen hatten die Kofferraumklappe ihres
orangefarbenen Autos geöffnet und warfen ihre Schlafsäcke
und die Ausrüstung hinein. Der Himmel war vollständig
bedeckt.
    »Wohin gehen sie?« fragte Meg Rich.
    »Nach Helena.« Seine Stimme klang bitter; das bedeutete,
daß er außer sich vor Ärger war.
    »Aber es hieß, daß es in Helena Nebel
gibt.«
    »Nebel kann sich auflösen. Das hier…« Er wies
unbestimmt zum Himmel. Es wurde ein wenig heller. Die Wolken wirkten
völlig undurchdringlich. Eine breite Schlechtwetterfront.
»Was denkst du, Paulos?«
    »Ich denke, daß es zu spät sein wird, wenn wir uns
nicht innerhalb der nächsten Minuten entscheiden. Uns bleiben
nur noch zwei Stunden, ehe es anfängt.«
    Die rothaarigen Jungs kamen mit der letzten Ladung heraus. Zwei
Rucksäcke und der Dreifuß für die Kamera. Sie warfen
das Gepäck in den Kofferraum und knallten die Klappe zu. Einer
von ihnen hatte mit den Fingern »Eklipse Spezial« in den
Staub auf das Rückfenster des Wagens geschrieben. Und daneben
hatte er eine Sonne gezeichnet. Einen Kreis, von dem
unregelmäßige Strahlen ausgingen.
    »Ich bin für Helena«, sagte Rich.
    »Großartig«, erwiderte Paulos, wandte sich um und
ging zum Motel zurück.
    »Nein«, sagte Meg.
    Sie sahen sie alle an, sogar die rothaarigen Jungen. Sie werden
mir nie verzeihen, wenn es bewölkt ist und sie ihren
Sonnenuntergang verpassen, dachte sie. Es ist der letzte
für dieses Jahrhundert in Nordamerika, und sie werden es mir nie
verzeihen. Aber in Helena ist es nebelig: und hier…
    »Nein«, sagte sie noch einmal. Sie warteten auf ihre
Erklärung, und diese Erklärung würde katastrophal
werden. »Es ist nicht nötig, woanders hinzugehen«,
sagte sie mit klarer Stimme. »Wir werden die Eklipse hier sehen
können.«
    »Woher willst du das wissen?« erkundigte sich Rich.
    »Ich weiß es eben.« Ihr Ton klang sogar für
sie selbst überzeugend. Die rothaarigen Jungen sahen beinahe so
aus, als glaubten sie ihr.
    »Woher willst du das wissen?« fragte Paulos.
»Ist es weibliche Intuition?«
    Sie hätte fast gesagt: »So etwas gibt es nicht, wie du
weißt«, aber die Jungen sahen aus, als glaubten sie daran.
Sie waren erst achtzehn. Notsituationen erfordern
Notmaßnahmen. »Ja«, sagte sie, »es ist
weibliche Intuition. Es wird rechtzeitig aufklaren, so daß wir
die Sonnenfinsternis sehen können.«
    »Also gut«, sagte Rich. »Wir bleiben.«
    Die Jungen sahen einander an, nickten und begannen ihr Gepäck
wieder auszuladen. Rich nahm Meg beim Arm und führte sie auf das
Motelzimmer zu. »Wir erwarten dich zum Frühstück in
fünfzehn Minuten, Paulos«, sagte er.
    »Tja«, erwiderte Paulos lachend. »Das ist
wenigstens ein Vorteil, wenn wir bleiben. Wir bekommen etwas zu
essen.«
    Rich schloß die Tür hinter sich.

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