Brandzeichen
sie sei etwas verschroben.«
»Mit verschrobenen Leuten habe ich es hier jeden Tag zu tun. Wie geht es Juliet?«
»Ganz gut in Anbetracht dieser Verbrechensserie. Ich bekomme ständig Anrufe von Leuten, die Schwierigkeiten haben, mit ihrem Kummer fertig zu werden, und mich um Hilfe bitten. Die arme Juliet versucht auch ganz tapfer, sich nicht von dem Mord verrückt machen zu lassen, der in ihrem Apartmentkomplex passiert ist.«
»Ihrem Apartmentkomplex? Wo wohnt sie denn?«, fragte Diane.
»Im Briarwood-Apartmentkomplex. Dort, wo diese Joana Cipriano umgebracht wurde.«
»Juliet wohnt im Briarwood? Das arme Mädchen. Als ob sie nicht schon genug Probleme hätte.«
»Das stimmt. Sie hat mir erzählt, dass sich alle in diesem Komplex neue Sicherheitsschlösser haben einbauen lassen. Vor allem die Leute mit einer 131er Adresse, die ja der des Mordopfers ähnelt, sind ziemlich beunruhigt. Juliet gehört übrigens auch dazu. Sie wohnt in 131 H. Das ist zwar mehrere Blocks von der Mordwohnung, der 131 C, entfernt, aber es ist doch ziemlich unheimlich, eine Adresse zu haben, die einen immer an diesen Mord erinnert.«
»Was für ein seltsamer Zufall«, sagte Diane.
»Das habe ich Juliet auch gesagt. Als den Bauherren die Buchstaben des Alphabets ausgingen, bezeichneten sie die neu gebauten Apartments als AA , BB , CC und so weiter. Stell dir nur einmal vor, wie sich jetzt die Bewohner von 131 CC fühlen müssen! Wie dem auch sei, ich weiß, du hast viel zu tun. Ich wollte dir nur die Adresse ihrer Großmutter mitteilen.«
»Vielen Dank. Ich werde versuchen, sie morgen zu erreichen«, sagte Diane. Sie klappte ihr Handy zu und stand ein paar Momente regungslos da.
Das ist wirklich eigenartig,
dachte sie. Sie zog sich ein paar Latexhandschuhe an. Dann fiel ihr ein, dass auch Joana Cipriano blonde Haare und blaue Augen hatte. Sie waren zwar nicht so hell wie die von Juliet, trotzdem war diese Übereinstimmung schon recht seltsam. Diane fühlte eine unterschwellige Beklommenheit, als sie die Knochen auf dem Tisch auszulegen begann.
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36
D iane hatte bereits bei der ersten flüchtigen Untersuchung im Lagerhaus festgestellt, dass die Knochen aus dem Keller von zwei Individuen stammten. Allerdings hatten die Explosion, das anschließende Feuer und danach McNairs Versuch, missliebige Beweismittel zu unterdrücken, dafür gesorgt, dass viele Knochen fehlten und die meisten noch vorhandenen zerbrochen waren. So gab es keine Handwurzel- und Fußwurzelknochen mehr. Ebenso fehlten die Endglieder der Finger und der Zehen. Tatsächlich waren alle kleineren Knochen der Skelette verschwunden.
Da es zwei Skelette waren, gab es mehrere Knochen doppelt.
Diane fand zwei linke Oberschenkelknochen, zwei Exemplare des ersten, neunten und elften Brustwirbels, zwei rechte Ellen, vier Hüftknochen und drei Schulterblätter. Sie versuchte gar nicht erst, die Skelettknochen zu trennen, sondern legte doppelt vorhandene Knochen einfach nebeneinander. Ergebnis war ein unvollständiges, seltsames Doppelskelett, das aus den Überresten von zwei Opfern dieser Explosion bestand.
Diane holte aus ihrem Sicherheitsgewölbe die Knochen, die ihre eigenen Leute aus dem Kellergeschoss des Gebäudes geborgen hatten und die sie bereits früher untersucht hatte, und legte sie auf einem anderen Tisch aus. Dabei verwendete sie nur diejenigen Knochenteile, deren Fundstelle definitiv feststand. Als Nächstes holte sie den teilweise rekonstruierten Schädel, da sie sich sicher war, unter den neuen Knochen weitere fehlende Teile zu finden.
Sie suchte aus den Lagerhausknochen alle Schädelfragmente heraus und begann, sie zusammenzusetzen. Dies war ein langer, mühseliger Prozess, von dem sie aber hoffte, dass er das Gesamtbild zu klären half. Als sie den hinteren Teil des zweiten Schädels zusammengefügt hatte, sah sie auf der Uhr an der Wand, dass es bereits früher Morgen war. Höchste Zeit aufzuhören. Sie ließ alles stehen und liegen und schloss die Tür ihres Labors hinter sich ab.
Sie entschied sich, den kurzen Rest der Nacht in ihrem Museumsbüro zu verbringen. Sie hatte schon öfter auf ihrer Couch geschlafen und hatte für solche Zwecke Decken und Kissen vorrätig. Neben ihrem Bürotrakt gab es auch eine Toilette, ein Badezimmer und einen Schrank mit Ersatzkleidung und Wäsche zum Wechseln.
Auf dem Weg in ihr Büro machte sie im Mitarbeiterzimmer halt und ließ aus dem Automaten einige Schokoriegel und Tütchen mit Erdnüssen heraus, die das
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