Brandzeichen
allerdings, dass der Bau so viele Flügel hatte. Frank war deshalb wahrscheinlich ähnlich schwer zu finden wie Star. Dabei war es ausgesprochenes Glück gewesen, dass Diane sie überhaupt gefunden hatte. Sie gingen die langen Flure entlang und schauten in jeden Raum hinein. Frank würde leicht zu erkennen sein. Er sah nun wirklich nicht wie ein Student aus.
Unterwegs kamen sie auch an den beiden jungen Frauen vorbei, denen Diane vorhin in jenem Aufenthaltsraum begegnet war. Star sprach sie kurz an. Beide warfen Diane für den Bruchteil einer Sekunde einen scharfen Blick zu, bevor sie schnellen Schritts verschwanden.
»Also, was ist denn mit den beiden los?«, fragte Star verwundert. »Das sind solche Snobs. Wartet nur, bis ich mit meinen neuen Kleidern aus Paris zurückkomme.«
Also kannten sie Star doch,
dachte Diane.
Sie wollten vorher also nur, dass ich möglichst schnell verschwinde, damit sie mit ihrem kleinen Geschäft fortfahren konnten. Diese verdammten kleinen Hexen!
»Kennst du die beiden gut?«, fragte sie Star, als sie in einen weiteren Seminarraum hineinlugten.
»Sie heißen Jessica Davenport und Jamie Dempsey. Ich nenne sie die Jersey Devils, du weißt schon, nach diesem frechen Dämon aus der Legende. Die sind so was von eingebildet, richtig schlimm.«
Mit weiteren Fragen wollte Diane warten, bis sie beide allein waren. Aber immerhin konnte sie Garnett nun die Namen der beiden als eine mögliche erste Spur mitteilen. Sie wollte gerade die Tür zu einem Computerlabor öffnen, als Frank plötzlich heraustrat.
»Diane.« Dann entdeckte er Star. »Lieber Gott im Himmel«, rief er aus und umarmte sie.
Star legte den Kopf an seine Brust.
Als man Star unter dem Vorwurf verhaftet hatte, sie habe ihre Eltern und ihren Bruder umgebracht, hatte sie versucht, sich umzubringen. Der Kummer wegen ihres Verlusts und das Gefühl, keinen Ort auf der Welt zu haben, wohin sie noch hätte gehen können, hatte sie alle Hoffnung verlieren lassen. Als Frank ihr dann anbot, sie zu adoptieren, hatte das alles verändert. Das hatte ihr wieder das Gefühl gegeben, etwas wert zu sein. Vor allem hatte er ihr von Anfang an geglaubt, dass sie unschuldig war. Ab und zu überkam sie auch jetzt noch das nackte Elend, aber Diane wusste, dass sie Frank für dessen Liebe und Fürsorge echt dankbar war.
Alle vier verließen jetzt das Studentenzentrum und gingen zu Franks Geländewagen hinüber. Unterwegs rief Jenny mit dem Handy die Wohnung ihrer Eltern an. Sie schaute überrascht, als ihr ein Nachbar antwortete. Diane wusste, dass Eltern in einer solchen Situation jemanden bitten würden, alle Anrufe entgegenzunehmen.
Als sie gerade wegfahren wollten, sah Jenny, wie der Wagen ihrer Eltern auf den Parkplatz einbog. Sie schrie Frank an, er solle anhalten, öffnete die Tür und stürzte nach draußen. Ihr Vater und ihre Mutter bemerkten sie sofort, ließen ihren Wagen mitten in der Zufahrt stehen und eilten ihr entgegen.
Nachdem sie in den letzten vierundzwanzig Stunden so viele verkohlte Leichen hatte sehen müssen, war Diane nun grenzenlos erleichtert, jetzt sogar ein doppeltes Happy End erleben zu dürfen. Sie musste aber auch an Bobby Colemans Eltern und die des Mädchens mit dem blonden welligen Haar denken. Für sie würde dieser Alptraum niemals enden. Diane wusste dies aus bitterer Erfahrung.
In diesem Moment erkannte sie jemanden, der gerade das Studentische Lernzentrum verließ und auf den Parkplatz hinaustrat. Es war die Mutter des blonden Mädchens aus dem Kaffeezelt. Sie war allein. Diane hätte am liebsten geweint.
»Bobby Coleman ist tot, oder?«, sagte Star. Ihre Stimme riss Diane aus ihren Gedanken.
»Die Polizei hat noch keine Informationen herausgegeben«, antwortete Diane.
»Aber er
ist
tot. Ich konnte es vorhin an deinem Gesicht erkennen. Es war die Art, wie du jeden Gesichtsausdruck vermeiden wolltest. Das machst du immer so, wenn du etwas bei dir behalten willst.«
»Ja, Schatz, er ist tot. Aber bitte erzähle es keinem. Ich weiß nicht, ob man es seinen Eltern bereits mitgeteilt hat.« Diane schwieg einige Sekunden, während sie auf den vereisten Straßen in Richtung ihrer Wohnung fuhren. »Er wurde als Erster identifiziert.«
Als sich Diane eine Minute später umdrehte, war Star bereits auf dem Rücksitz eingeschlafen. Als sie sie so zusammengerollt daliegen sah, hätte sie sich gewünscht, dass sie Ariel auch so friedlich schlafend irgendwo im Dschungel gefunden hätten. Sie war so dankbar, dass
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