Brandzeichen
entspannt auf ihrem Stuhl. Sie schaffte es, zu allen Zeiten elegant auszusehen.
Diane beneidete sie dafür. Sie wusste auch, dass dies ein Grund für ihre Verhandlungserfolge war: Auch wenn sie ganz entspannt wirkte, konnte sie plötzlich zuschlagen. Diane erinnerte sie an eine Löwin. Hier allerdings war sie nur Zeugin und brauchte nicht zuzuschlagen. Diane spürte, dass sie die ganze Szene durchaus genoss. Dabei behielt sie die ganze Zeit ihr freundliches Lächeln bei, als ob Diane mit Whitney über die Anschaffung neuer Muschelsammlungen reden würde.
Diane stand auf, und Kendel folgte ihrem Beispiel. Whitney blieb sitzen. »Ich nehme an, ich habe keine Wahl«, sagte sie.
»Wir alle haben die Wahl«, sagte Diane. »Und wir alle müssen die Konsequenzen unserer Entscheidungen tragen. Dies alles soll in keiner Weise eine Bestrafung sein.«
Sie und Kendel ließen Whitney in ihrem Büro allein. Nach ihrem Gesichtsausdruck zu schließen, kochte diese vor Wut.
Juliet, die immer noch so aussah, als ob sie sich gleich in Luft auflösen würde, katalogisierte gerade eine ganze Schale voller
Turridae
.
»Danke, dass Sie die Zeugin gespielt haben«, sagte Diane, als sie die Wassertierabteilung verließen.
»Keine Ursache.« Kendel begleitete Diane bis zur nächsten Treppe. Kendel fuhr fast nie mit dem Aufzug. »Ich muss noch in den zweiten Stock in die Ausstellungswerkstatt«, sagte sie und begann, die Treppe hinaufzusteigen. »Das ging doch ziemlich glatt. Ich an Ihrer Stelle hätte sie wohl viel mehr gekränkt und hätte nicht einmal einen Zeugen gehabt.« Kendel lächelte, drehte sich um und ging die Treppe hinauf.
Diane lachte und schüttelte den Kopf. Sie nahm den Aufzug in den zweiten Stock und ging in den Flügel hinüber, in dem das Kriminallabor lag.
Dort saßen David, Jin und Neva am runden Ecktisch und tranken frisch gebrühten Kaffee.
»Wir sprachen gerade über McNair«, sagte David. »Was geht in dem Kerl eigentlich vor?«
»Er will Ruhm ernten, die absolute Kontrolle ausüben und die politischen Machenschaften seines Onkels unterstützen«, sagte Diane, während sie sich selbst eine Tasse Kaffee eingoss. »Dieses Fiasko hat bestimmt mit den nächsten Wahlen zu tun. Ein solches Verbrechen hat es hier schon lange nicht mehr gegeben, und McNair und Konsorten wollen allen Familien hier in Rosewood zeigen, dass sie für Gerechtigkeit sorgen können – wobei alle diese Familien zufällig auch Wähler sind.«
»Es geht also wie üblich um Politik«, sagte Jin. »Wer hat einmal gesagt: Tötet alle Politiker?«
»Ich glaube, das war Shakespeare«, sagte David. »Und er meinte Anwälte.«
»Na ja, Anwälte sind vielleicht wirklich noch schlimmer als Politiker«, sagte Jin.
»Was ist eigentlich mit meinem Auto?«, wechselte Diane das Thema. »Hattet ihr schon Gelegenheit, es zu untersuchen?«
»Schon erledigt, und alle Spuren sind im Sicherheitsgewölbe«, sagte Neva. »Wenn der Typ vor Gericht steht, können wir die nötigen Informationen liefern. Was wollen Sie eigentlich mit Ihrem Auto machen?«
»Ich nehme an, ich tausche es gegen ein neues ein. Ich glaube, die Leute bei meinem Fordhändler fragen sich allmählich wirklich, was für eine Art Leben ich führe.«
»Wo wir gerade davon sprechen«, sagte David. »Ist letzte Nacht hier nicht etwas passiert? Die Sicherheitsleute erzählten etwas von Typen mit Baseballschlägern, die auf dem Parkplatz auf dich und noch eine andere Person gewartet hätten. Was genau war eigentlich los?«
Diane berichtete in aller Kürze, was am Abend zuvor auf dem Parkplatz vorgefallen war.
»Soso«, sagte Jin. »Dann können Sie ja Ihrem Autohändler erzählen, dass der Typ, der Ihr Auto so zugerichtet hat, nicht der Letzte war, der es auf Sie abgesehen hatte.«
»Ich ziehe solche Verrückten anscheinend regelrecht an«, sagte Diane.
»Geht es dir gut? Die Polizei ist ja wohl gerade rechtzeitig eingetroffen«, sagte David.
»Ja. Es ist noch gut ausgegangen, und ich habe gehört, dass die Polizei die beiden bereits gefasst hat. Ich hoffe nur, dass das Ganze kein Angriff auf das Museum war.«
»Ich verstehe«, sagte David, »nicht auf das Museum, sondern nur auf dich.«
»Was ist eigentlich mit der Frau, die bei Ihnen war?«, fragte Jin. »Könnte es nicht ihr gegolten haben?«
»Ich glaube nicht. Vielleicht weiß die Polizei schon mehr. Ich rufe sie nachher an.«
In diesem Augenblick öffnete sich der Privataufzug des Kriminallabors, und Chief Garnett trat
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