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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Fremdenviertel war es ruhiger, dort sah man nur den Schein der Fackeln vor den Wirtshäusern, Schänken und Nudelbuden. Das Hafengelände lag dunkel und öde da, nur die Streifen der Wächter mit ihren an Stangen gehängten Laternen und Rasseln gingen jetzt dort noch um. Auf dem Wasser zündeten die Woda-an ihre Lampen und Kochfeuer an, sie waren zu weit entfernt, als daß Taguiloa mehr als ein paar dumpfe Geräusche, das Blöken eines Horns und ein bis zwei wilde, rauhe Rufe hätte hören können. Er vermochte dunkle Gestalten zu erkennen, die an den Lampen vorüberhuschten, verschmolzen und sich trennten, manche bewegten sich rasch, abgehackt, andere langsam, wie mühselig, sie boten ein Schattenspiel aus Hell und Dunkel dar, das für ein Weilchen Taguiloas Aufmerksamkeit auf sich zog, es gab Anregungen für eine neue Art von Tanz ab, dessen Ansätze ihm unausgegoren im Kopf kreisten. Die Geister der Ertrunkenen und Ermordeten wallten aus den Fluten und der Erde, der Wind puffte sie wie Rauchfähnchen. Hier ist gut sein, dachte Taguiloa, ließ die Temueng außer acht, und ich bin ein Mann, auf dessen Schultern die Gottheit des Glücks sitzt. Höchste Zeit, daß ich mich erkenntlich zeige, was, Tungjii?
    Er betrat den Tempel, strebte an Godalau und ihren Nebengöttern vorbei, blieb vor einem der weniger großen Götterbildnisse stehen, der feisten Glücksgottheit, deren Bauch von den Hunderten, nein Tausenden von Händen glänzte, die ihn schon gerieben hatten, eine fast gänzlich nackte kleine Zwittergestalt mit prallen dickwarzigen Brüsten und einem kurzen dicken Glied, das linke Auge zwinkerte dem Betrachter fröhlich zu. Taguiloa verneigte sich, tätschelte den Schmerbauch der Figur, warf Münzen in die Opferschale und entzündete eine Handvoll Räucherstäbchen. Beim Gedanken an die Möglichkeiten, die ihm in Zukunft offenstanden, war ihm nachgerade trunken zumute, er steckte die Stäbchen in die Sandschüssel, kauerte sich hin, sah zu, wie der süßliche Rauch aufquoll und die Gottheit umkräuselte. Nach einer Weile lachte er, sprang hoch, schlug ein paar Räder und einen zweifachen Purzelbaum, kam im Handstand auf, drehte sich auf die Füße und lief aus dem Tempel, noch immer schäumte ihm Heiterkeit im Blut, die Glücksgottheit saß ihm noch auf der Schulter, prustete ihm ins Ohr.
    Aus dem Nebel erschien Jaril, stieg neben Taguiloa den Tempelweg hinunter, er schwieg, begleitete ihn lediglich. Taguiloa nickte ihm zu, setzte den Weg abwärts vorsichtig fort; Nässe machte die Stufen glitschig, und die Füße vieler Geschlechterfolgen hatten sie längst ausgetreten. Sich auf diesen Treppen ein Bein zu brechen, wäre das gleiche, als drehte man der Glücksgottheit eine Nase, eine wahre Unglückssträhne ergäbe sich daraus. Als er schließlich wohlbehalten unten anlangte, lächelte er seinem kleinen schweigsamen Begleiter zu. »Ladjinatuai und Schwarzdorn schlagen uns Linjijan, Ladjinatuais Großneffen, als Flötisten vor. Schwarzdorn möchte Brann kennenlernen.« Er zögerte, hob eine Hand, ließ sie sinken. »Ich habe ihnen ein wenig über sie und euch erzählt. Sie werden nichts ausplaudern, Jaril. Ach, und da ist 'ne Fremde, eine Musikantin, Tochter eines Magiers. Sie stößt gleichfalls zur Truppe ... glaube ich. Für morgen, zwei Stunden nach der Mittagszeit, ist ein Treffen vereinbart. Wäre eure Gefährtin zu kommen bereit? Ich habe ein Haus gefunden, in dem sie unterschlüpfen kann. Es liegt nur 'n paar Schritte von meinem Wohnsitz entfernt, und 's steht 'ne Dienerin für Brann zur Verfügung, falls sie sie behalten will. Es ist 'n verschwiegenes Mädchen. Entscheidet sich eure Gefährtin fürs Umziehen, kann sie's morgen früh tun. Möchtest du's vorher besichtigen? Dann komm mit.«
    Brann trat durch die Pforte in der Mauer, besaß keinerlei Ähnlichkeit mehr mit der Frau, die Taguiloa am Morgen gesehen hatte. Offenbar hatte sie beschlossen — und das erachtete Taguiloa als sehr vernünftig —, sich doch nicht als Hina auszugeben. Der Schiffsherr war völlig im Recht, die Sitten der Hina ließen sich nicht so leicht erlernen. Branns Haar hing lose herab, aber nicht gewellt, es fiel ihr locker und anmutig, schwarz wie die Nacht und weich wie eine Wolke, ums Gesicht. Auf dem Kopf trug sie eine Kappe aus aneinandergeketteten Goldmünzen, aufgereihte Münzen baumelten beiderseits des Gesichts, am Körper ein langes, weites, mit Vögeln und anderem Getier aus hinaischen Sagen besticktes Gewand aus

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