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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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durchnässen. Sie reckte die Hände in die Höhe, und Brann zog sie zu sich herauf, setzte sie vor sich aufs Pferd. »Wahrscheinlich bis die Reisekutsche eintrifft. Der Lärm, so denke ich mir, wird genügen, um sie zu wecken.«
    »Was werden sie tun?«
    »Berücksichtigt man, was gestern abend in der Gaststube geschehen ist, werden sie wohl, selbstgerecht wie sie sind, 'n Mordskrach schlagen, und man wird das halbe Temuengheer ausschicken, damit's nach uns fahndet.«
    »Hui, Yaril, damit können wir nicht fertig werden.«
    »Kann man gegen etwas nicht Kämpfen, dann schwirrt man ab wie Sheol und hofft, man kann's abhängen.« Yaril tätschelte Branns Arm. »Du brauchst lediglich schlauer als sie zu sein, mehr nicht.«
    »Kein guter Anfang, was?«
    Eine Stunde später kam ihr im Regen die Reisekutsche entgegen. Brann hörte sie, ehe sie sie sah, vernahm das Knarren und Rattern, regelmäßiges matschig-nasses Krachen, ängstliches Schnauben, Wortfetzen von ein, zwei Stimmen, vorwiegend unvollständiges Geschimpf; sie lenkte Coier von der Straßenmitte weg und dicht an die Hecken heran, versuchte die spitzen lästigen Dornen zu mißachten. Es regnete inzwischen noch stärker als zuvor, und nach der geräuschvollen Fahrt der Kutsche geurteilt, erwartete man wohl — wer immer auf dem Kutschbock sitzen mochte —, daß jeder ihm den Weg freimachte. Als erstes wurden im Regen die großen gemütvollen Köpfe von Takhill-Zugpferden sichtbar, die schwarzen Mähnen klebten ihnen auf den weißen Streifen zwischen Nasen und Ohren, die ledernen Scheuklappen, die die vorderen Pferde an den am Straßenrand zugewandten Seiten der Schädel trugen, glänzten wie Das'n vuor-Glasur. Die braunen Felle troffen von Nässe, sahen fast so schwarz wie das Zaumzeug aus. Regen und Schlick hatten die Federbüschel an den ausgeprägten starken Sprunggelenken verunstaltet, aber sie hoben und senkten die stämmigen Beine mit einer Gleichmäßigkeit wie ein Pendel: Tacktack, tacktack. Zwei, dann noch zwei, danach die beiden Deichselpferde, größer als die anderen, insgesamt ein tüchtiges Gespann. Der Kutscher kauerte über den Zügeln, die Kapuze so tief ins Gesicht gezogen, daß Brann es nicht erkennen konnte und nur die knorrigen Pranken sah, die so geschickt die schwarzen Lederriemen hielten. Er schwieg, und sein Schweigen hüllte ihn in eine Unnahbarkeit, die der zweite Mann auf dem Kutschbock anscheinend gar nicht erst zu durchdringen versuchte; er war ein Temueng, hatte auf den Knien einen kurzen Bogen, den er mit dem Umhang vorm Regen zu schützen suchte, und die Beine hatte er um einen Köcher voller Pfeile geschlungen. Fortgesetzt fluchte er vor sich hin, unterbrach seine Verwünschungen nur, wenn er sich das Gesicht wischte. Er sah Brann, schaute jedoch gleichgültig sofort wieder weg. Brann empfand dabei eine Aufwallung von Haß, die ihr die Eingeweide zusammenkrampfte.
    Die Reisekutsche war ein langes kastenartiges Gefährt, ratterte auf drei Paar übergroßen Rädern, die breite Schwalle braunen Regenwassers aufspritzten, die Straße entlang. Wegen des Regens hatte man die geölten Seidenvorhänge an den Fenstern der Kutsche sorgsam geschlossen, aber im Innern des Fahrzeugs brannte eine Lampe — wahrscheinlich waren es sogar mehrere Lampen —, denn Brann sah die Schatten einer Reihe von Insassen sich über die Seide bewegen. Sechs hohe schmale Fenster, hinter denen Umrisse von Gestalten und Rundungen von Köpfen schaukelten. Brann beobachtete die Schatten und fragte sich, was so wichtig sein mochte, daß diese Leute sich bei solchem Wetter auf Reisen begaben. Das letzte Fenster schwankte vorbei, dahinter sah Brann Stapel festgeschnallten Gepäcks. Und wieder verspürte sie jene Hilflosigkeit, die sie ereilt hatte, als sie den Gasthof betrat, eine Unwissenheit in bezug auf das Leben und Treiben in den Ebenen, so kraß, daß sie sie ähnlich empfand, als ob sie vom Tincreal auf eine niedrige Wolke stieg.
    Vier berittene Temueng folgten der Reisekutsche in hinlänglichem Abstand, um vom Schlick und Kies verschont zu bleiben, wie die breiten eisenbeschlagenen Räder sie in die Höhe spritzten. Von schweren dicken Umhängen umhüllt, hielten sie ihre Lanzen gesenkt, Pfeil und Bogen versteckt, doch Brann bezweifelte kaum, daß sie für jeden, der die Absicht hegte, die Reisekutsche zu überfallen, eine böse Überraschung bedeuten würden. Der Anführer drehte den Kopf, starrte Brann im Vorüberreiten an. Brann bemerkte das Aufblitzen

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