Brann 02 - Blaue Magie
verschmolzen mit meinen Schaltkreisen. Sobald sie mir, als sie mich verließen, die Freiheit gaben, begannen die zurückgebliebenen Essenzen der Entitäten bei mir effektiv zu werden, ich löste mich aus meiner Beschränktheit, überwand meine Grenzen, erweiterte meine Möglichkeiten, befreite mich mit jeder Stunde, die verstrich, selber immer mehr. Dem Admiral war das alles überhaupt nicht recht, sobald er sich wieder Durchblick verschafft hatte, soweit sein Verstand es zuließ, und er über den beeinträchtigten Zustand meines Rumpfs und all dessen, was darin war, Klarheit besaß, erteilte er erst einmal jede Menge Befehle und ging auf die überlebenden Techniker los, ließ von seiner Leibgarde Auskünfte aus ihnen herausprügeln, allerdings diesmal niemanden erschießen. Er war wohl plötzlich, was den Verschleiß der ihm zur Verfügung stehenden Mittel betraf, vorsichtig geworden. Viele Antworten bekam er allerdings nicht, niemand wußte genau, was passiert war, auch ich nicht. Es dauerte einen halben Tag, bis die Elitesoldaten kapierten, wer dafür die Verantwortung trug, daß sie in so einer Scheiße steckten, und dann wollten sie ihn sich vorknöpfen, aber er hatte im Laufe seiner langen, unverdienten Karriere einen Riecher für drohende Unannehmlichkeiten entwickelt. Ist so was nicht komisch? Er war ein wahrhaft dummer Mensch, buchstäblich dazu außerstande, irgend etwas zu lernen, das schwieriger oder umfangreicher war als die Musikuntermalung eines Werbespots, aber er hatte eine geradezu phantastisch feine Nase, wenn es um sein Überleben ging. Er schloß sich in seinem gesicherten Quartier ein, ehe man ihn sich greifen konnte. Die Soldaten besprachen sich, nahmen ein Schweißgerät und schweißten damit alle Ausgänge zu, die sie fanden, sorgten dafür, daß er in dem Gefängnis, in das er sich zurückgezogen hatte, bleiben mußte. Da wir gerade vom Bleiben reden, meine Triebwerke bestanden nur noch aus Schrott, ich konnte die Kreisbahn nicht mehr verlassen, außer um zu landen. Die Landeraketen waren gesonderte Triebwerkssysteme und mehr oder weniger intakt geblieben, es war reichlich Treibstoff zum Manövrieren vorhanden. Leider war die Welt, die ich umkreiste, alles andere als bewohnbar, jedenfalls war sie es damals nicht. Die Überlebenden der Besatzungsmitglieder, Siedler und Sturmtruppler schwebten in keiner Gefahr, das Lebenserhaltungssystem funktionierte dank der Energiespeicherzellen gut, und weil es mir gelungen war, die Sonnenkollektoren auszuklappen, konnte sie sie auch in genügendem Maß nachladen. Es gab auch kein Nahrungsproblem. Beim Transfer waren die Hälfte der Siedler, vielleicht ein Drittel der Soldaten und etwa ein Zehntel der Besatzung umgekommen, das hieß, die Übriggebliebenen hatten mehr Nahrungsmittel, wenn man sie ein bißchen streckte und auf sinnvolle Weise auf die Samen und Tierova in den Lagern zurückgriff, würde niemand hungern müssen. Langeweile und Klaustrophobie waren das schlimmste, dem sie entgegensahen. Allerdings wußten wir nicht, wie zudringlich die Gottheiten sein würden, die sich drunten entwickelten, und was sie in bezug auf uns planten. Sie gestalteten sich selbst anhand meiner Daten, formten die planetare Umwelt, um uns irgendwann in Empfang zu nehmen. Zeit verstrich, Daniel Akamarino. In meinem Rumpf entstand eine Militärdiktatur, gemäßigt durch die Unentbehrlichkeit der Techniker und Kolonisten für die Besitzer der Waffen. Ich züchtete in meinem metallenen Leib Vieh und Geflügel als Fleischlieferanten, man pflanzte Getreide, Gemüse und Obst in hydroponischen Tanks an, die die Techniker bauten, man richtete Sportanlagen zwecks Leibesertüchtigung und später, als der erste Nachwuchs geboren wurde, auch Kinderkrippen ein. Zu Unterhaltungszwecken zapfte man meine Datenbanken an, und man gründete Zeitungen und regelrechte Verlage. Es war für die Überlebenden eigentlich keine allzu schlechte Zeit, auf alle Fälle für die nicht, die keine Machtgelüste verspürten und damit zufrieden waren, für sich und ihren Kindern ein relativ angenehmes Leben zu sichern. Zeit verging. Ein Jahr. Drei Jahre. Fünf. Was tat ich die ganze Zeit lang? Gute Frage. Ich veränderte mich. Ja, ich änderte mich in einer Art und Weise, die mich entsetzt hätte, hätte ich in meinem damaligen Zustand Entsetzen empfinden können. Entsinnst du dich an den in sein Quartier eingesperrten Admiral? Am Ende meiner ersten sechs Monate als bewußte Existenz nahm ich ihn und baute
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