Brann 02 - Blaue Magie

Titel: Brann 02 - Blaue Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton

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Ich konnte mitanschauen, wie sie geboren wurden, aufwuchsen und neues Leben zeugten, schließlich starben. Ich war nicht allein. Man vergaß mich nicht, obwohl sie es so wollten, die anderen Götter, die ihre Existenz mir verdankten. Sie wollen's noch immer. Sie wünschen, daß ich vernichtet, vergessen, aus dieser Realität vollkommen ausgemerzt werde. Jedenfalls die Mehrzahl. Keiner von ihnen will mich wieder frei sehen. Aber du, Daniel Akamarino, und du, Ahzurdan, und du, Brann, genannt Seelentrinkerin, ihr werdet mich aus diesem Gefängnis befreien.«
    Daniel Akamarino kratzte sich unter den Haarfransen, die ihm über die Ohren ragten. »Und wie?«
    Schweigen. Ein laaanges Schweigen.
    Als der Angekettete Gott erneut das Wort ergriff, überging er die Frage. »Ihr seid alle müde. Ruht euch aus, eßt, schlaft. Wir werden die Unterhaltung morgen fortsetzen. Wenn ihr euch umblickt, werdet ihr hinter euch einen Servitor sehen, folgt ihm, er wird euch in einen Wohnbereich bringen, den ich für euch habe herrichten und säubern lassen. Daniel Akamarino, bitte erkläre deinen Begleitern die Apparaturen, dir werden sie nicht allzu fremdartig sein, aber sollte sich eine Unklarheit ergeben, wende dich an den Servitor, er wird bei euch bleiben und euch alles bereitstellen, was ihr braucht, von Informationen bis zu Essen. Schlaft gut, meine Freunde; morgen, morgen und morgen wird's viel zu tun geben.«
    Sie folgten dem kantigen Ding, das der Gott einen Servitor genannt hatte, durch metallene Gewölbe, in denen Echos hallten und ununterbrochen Zwielicht herrschte; wie Girlanden hingen an Wänden und Decken mit Bändern vergleichbare Gewächse, deren fahle Blätter an die seltenste Art weißer Jade erinnerten, die eine nur ganz schwach erkennbare Maserung von Grün aufwies. Unsichtbares Getier raschelte durch dieses Laub, und die faserigen Luftwurzeln streiften die Gesichter der Menschen wie baumelnde Spinnweben. Ihre Füße schritten auf brüchigem Boden aus, mit jedem Schritt verursachten sie Staubwolken, und der Staub roch nach Moder und Alter. Je weiter sie gingen, um so unbewegter und schaler wurde die Luft.
    Daniel Akamarino blieb stehen. »Servitor.«
    Die eiserne Gliederpuppe unterbrach ihr von Surren und Klappern begleitetes Dahinstapfen. Brann verzog das Gesicht und griff sich unwillkürlich an den Hals, als das Metallwesen sein Kopfgebilde in den Nacken drehte und den Blick der Glasaugen auf Daniel richtete. Für die Dauer eines halben Atemzugs ertönte ein Knistern, das sich anhörte, als würde trockenes Kiefernharz brennen, dann erklangen Wörter, seltsam unbetonte Wörter, so bar jedes Gefühls, daß mehrere Augenblicke verstrichen und Brann aufmerksam lauschen mußte, bis sie sie verstand. »Was wünscht du, Daniel Akamarino?«
    »Laß hier mal ein wenig Frischluft rein, oder wir gehen keinen Schritt weiter.«
    »Die Luftbeschaffenheit ist adäquat, Daniel Akamarino. Stärkere Luftbewegungen würden gewisse Elemente stören. Es ist bis zu eurem Quartier nicht mehr weit. Bitte folgt mir dorthin.«
    »Unter der Voraussetzung, daß wir umkehren, falls deine und meine Vorstellungen von > nicht mehr weit< sich nicht decken, und wir warten, wo wir atmen können.«
    Das Kopfgebilde drehte sich zurück nach vorn, den Servitor durchlief ein starrkrampfartiges Beben, bei dem er blechern rasselte, und er setzte den Weg fort. Flüchtig sah Brann ihn als Greis, steinalt wie die Hügel, uralt wie die dicken, verschlungenen Stränge der Rankengewächse, die sie umwucherten. Sie hustete, holte Daniel ein. »Wie alt ist er?« fragte sie leise.
    »Alt genug, daß TachStahl darüber weich geworden wäre. Älter als der Isspyrivo. Vielleicht so alt wie Tungjii.« Er lächelte. »Er stammt aus der längst, längst vergangenen Zeit, als der Wunde Mond noch heil war.«
    Um drei Ecken bogen sie noch und verhielten dann vor einem Abschnitt der Wand, die man von allem Bewuchs befreit hatte. Ein Teil der Wand glitt beiseite, der Servitor schepperte durch den Zugang in eine reinliche, gut erleuchtete Räumlichkeit, surrte in eine Nische und blieb dort stehen; er klappte etliche seiner Bestandteile in seinen Metallkörper, bis er einem großen Krug mit einem absonderlichen Deckel ähnelte.
    Lichtkugeln flitzten an Brann vorbei, sausten durch die nächste Wand der Räumlichkeit, deren Inneres stark an ein Ei erinnerte, eine inwendig bemalte Eierschale mit einem feinen elfenbeinfarbenen Teppich auf dem Fußboden; die Anzahl befremdlicher