Brasilien
Isabel.
«Was ist ein Cruzeiro?»
Sie konnte es nicht erklären. «Es ist ein Papier, das wir statt Muscheln und Baumharz zum Tauschen verwenden.»
«Ich werde das hier nehmen.» Er deutete auf ihren Ring, auf den Ring, der DAR verkündete.
«Bitte nicht – Tristão hat ihn mir geschenkt, um sich mit mir zu verbinden.»
«Dann ist er gut. In ihm ist Energie von euch beiden.» Er streckte eine Hand aus, was seine Hängematte in Schwingungen versetzte, und machte eine Geste des Greifens und Abstreifens, die zu ihrem Verständnis keiner helfenden Droge bedurfte.
Wehen Herzens zog sie sich den bedeutungsschweren Ring vom Finger und legte ihn in die hohle Hand des Schamanen. Seine Handfläche fühlte sich fiebrig an, wie bei ihren Kindern, wenn die Erreger von Erkältungen, von Masern oder von Keuchhusten in ihre Körper eingedrungen waren und alle Zellen im Abwehrkampf standen. Als wäre ihr ein Zahn ausgeschlagen worden, wußte sie, daß sie nie mehr zurückbekam, was sie soeben preisgegeben hatte. Stück für kleines Stück beraubt uns das Leben unserer selbst. Was am Ende übrig bleibt, ist jemand anderes.
«Damit die Behandlung wirken kann, mußt du meinen Namen kennen. Ich heiße Tejucupapo.»
«Tejucupapo.»
«Die Behandlung wird dich verwandeln.»
«Ich bin in deiner Hand, Tejucupapo.»
«Du hast den mutigen Geist eines Mannes. Den Lebenswillen eines Kriegers. Du bist nicht wie dieser Schmutz, der dich begleitet. Sie wird bald sterben.»
«O nein – nicht meine liebe Ianopamoko! Sie ist so wunderbar gut zu mir gewesen!»
Tejucupapo antwortete grimmig, mit mahlenden Kiefern, die sich an den Jadepflöcken rieben: «Es bereitet ihren eigenen Sinnen Freude, wenn sie gut zu dir ist. Wenn sie sich dir ergibt. Sie schenkt sich selbst die Freuden des Fleisches. Sie spürt den Mann in dir und –» Er sprach es offen aus: «Du vögelst sie.» Und er spie ins Feuer, so viel, daß es in den trägen Flammen klatschte und ein zischendes Singen aufstieg.
Trotzdem wurde Ianopamoko zu den magischen Behandlungen hinzugezogen, deren wichtigster Bestandteil die Bemalung von Isabels gesamtem Körper mit einem schwarzen Farbstoff namens genipapo war. Er konnte nicht großflächig eingerieben, sondern mußte in Gestalt der fein ziselierten Arabesken aus gepunkteten Linien und S-Kurven aufgetragen werden, deren verborgene Symmetrien und glückverheißende Muster nur Indianerfrauen beherrschten. Während Ianopamoko arbeitete und Isabels leuchtendweiße Haut Stück um Stück mit Farbe bedeckte und junge Mädchen aus der Gemeinschaft des Hochplateaus ihr mit kleinen Pinseln aus den Borsten des Wasserschweins halfen, die in aufgeschlitzten Bambusrohren steckten, blies Tejucupapo warmen petum- Rauch über die Malereien, damit sie tiefer in den Körper eindrangen und den unauslöschlichen Stempel von Monans Schöpfung auf ihm hinterließen. Isabel mußte ein Lachen unterdrücken, als sie die minuziösen Liebkosungen der Pinsel und die warmen Wolken von Tejucupapos rauchigem Atem spürte, der selbst in ihre intimsten Spalten blies.
Selbst beständig gekitzelt, überraschte es sie um so mehr, Ianopamokos Wangen von Tränen überströmt zu sehen, deren Glitzern dem der Gewächse der Hochfläche in nichts nachstand. Ianopamoko hatte sie so geliebt, wie sie war. In den Nächten versuchte Isabel ihrer Gefährtin zu beweisen, daß sie sich innerlich nicht verändert hatte; ihre Liebe wurde drängender, gewann eine männliche Rauheit, denn das zierliche Indianermädchen ließ sich nicht mehr so leicht zu einem heimlichen Schauder bewegen wie vordem. Isabel spürte, daß es die unheimliche Helligkeit ihrer Haut gewesen war, die einen wesentlichen Reiz für Ianopamoko ausgemacht hatte, und sie war verletzt. Nur Tristão liebte ihr inneres Selbst, unabhängig von den äußeren Schalen.
Solange sie in der Trance des Bemaltwerdens gefangen war und den Rauch von petum und yagé einatmete, konnte sie die Worte des Schamanen verstehen, der ihr, unterbrochen von langen, warmen Rauchfahnen, von der Traumzeit erzählte, da die Erde fast leer war, so frisch hatte Monan sie erschaffen. Wie kleine Rotten von Dungkäfern zogen die Menschen über den ausgetretenen Boden eines langes Sippenhauses, dessen Dach mit Sternen gedeckt war, die damals heller schienen. Generation folgte auf Generation, und immer zogen sie weiter in Gegenden, wo es frisches Wild gab und die Erde noch nicht erschöpft war. Sie jagten gewaltige Tiere – Pferde mit Bärten
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