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Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz

Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz

Titel: Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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eifrig. Während sie dem jungen Mann ihre Adresse angab und eine lange Botschaft an ihren Vater auftrug, kritzelte ich schnell einige Zeilen auf ein Blatt Papier.
    Unser Retter aus der Not versprach, dafür zu sorgen, daß der Verteiler zeitig am nächsten Morgen von Oslo geschickt wurde.
    „Ich werde in Drammen bei einer Reparaturwerkstätte vorsprechen und veranlassen, daß der Verteiler dorthin geschickt wird und daß dann sofort einer von den Leuten herkommt und ihn einsetzt.“
    „Sie sind wirklich der hilfsbereiteste Mensch, der mir jemals begegnet ist“, sagte ich, von soviel Liebenswürdigkeit ganz überwältigt.
    „Das ist doch alles nicht der Rede wert“, sagte der Chauffeur lächelnd. Dabei strich er sich eine widerspenstige dunkelbraune Haarsträhne, die sich unter dem Mützenschirm hervorgewagt hatte und ihm ein keckes, jungenhaftes Aussehen verlieh, aus der breiten Stirn. Dieser jungenhafte Ausdruck paßte übrigens gar nicht so recht zu dem kräftigen, energischen Kinn und den ernsten Augen. Sie waren schön, diese Augen, und sie blickten ernst, auch wenn der Mund lächelte.
    Seine Hand hinterließ einen dunkelgrünen Ölstreifen auf seiner Stirn. Nun sah er noch jungenhafter aus als zuvor. „Zur Sicherheit werde ich Ihnen meinen Namen wohl ebenfalls sagen müssen“, sagte der Chauffeur lächelnd. „Ich heiße Heming Skar und arbeite zur Zeit hier“, er zeigte auf die Goldbuchstaben an seiner Mütze.
    Ohne mir etwas dabei zu denken, reichte ich ihm die Hand. „Steffi Sagen“, sagte ich.
    Erst als ich den Druck seiner kräftigen Arbeitshand spürte, kam es mir plötzlich in den Sinn, daß ich mich Reisebürochauffeuren im allgemeinen nicht vorzustellen pflegte. Aber Leuten, die sich mir vorstellten und die ein solches Wesen und Auftreten hatten wie dieser Heming Skar, mußte ich wohl schon meinen Namen nennen.
    Am Hoteleingang und auf der Treppe wurde es sehr laut. Die Reisegesellschaft schien aufzubrechen.
    „Da kommt meine Herde“, sagte Heming Skar. „Also dann – Ich verspreche dir, kleine Lisbeth, daß ich deine Botschaft getreulich ausrichten werde. Und Sie, gnädiges Fräulein“, wandte er sich an mich, „brauchen sich keine Sorgen zu machen. Morgen früh ist der Wagen wieder in Ordnung.“
    Aus alter Gewohnheit versenkte ich die rechte Hand in die Tasche. Ich war es seit Jahren gewohnt, für jeden Dienst, den man mir erwies, zu bezahlen. Plötzlich aber zögerte ich, und ich fühlte, daß ich rot wurde. Unzählige Male schon hatte ich Chauffeuren, Kellnern, Zimmermädchen, Pikkolos und anderen dienstbaren Geistern Trinkgelder gegeben; hier aber geschah es zum ersten Male, daß ich mich unsicher und verlegen fühlte.
    „Ich weiß nicht, ob ich…“, begann ich; als ich aber Heming Skar belustigt lächeln sah, brachte ich kein Wort mehr über die Lippen.
    „Aber ja doch“, sagte er. „Ich bin es gewohnt, Trinkgelder zu erhalten. Und für Sie ist es am angenehmsten, wenn Sie wissen, daß Sie meinen kleinen Dienst bezahlt haben.“
    Müßte der Chauffeur nicht in Gold gefaßt werden?
    Da kein Doppelzimmer frei war, mußten Lisbeth und ich uns mit einem Einzelzimmer begnügen.
    Niemals werde ich dieses kleine Hotelzimmer vergessen. Es hat sich meinem Gedächtnis so fest eingeprägt, daß ich es noch heute genau beschreiben könnte: die Farbe der Wände, das Muster des Teppichs, die Vorhänge, das Bett, jeden Stuhl. Von den unzähligen Hotelzimmern, in denen ich gewohnt habe, ist dies das einzige, dessen ich mich noch erinnere.
    Und ich, die ich so vielgereist bin, daß ich überall schlafen kann, ich konnte in dieser Nacht keinen Schlaf finden.
    Lisbeth machte ein etwas erschrockenes Gesicht, als sie begriff, daß wir nicht nur das Zimmer, sondern sogar das Bett teilen sollten.
    „Ist das denn so gefährlich?“ sagte ich. „Ich beiße nicht – und ich schnarche auch nicht.“
    Lisbeth lachte.
    „Aber weißt du, ich habe doch noch nie mit einem anderen in einem Bett gelegen. Eigentlich nicht einmal in demselben Zimmer. Denn daheim liege ich im Schlafzimmer und Vater auf dem Diwan im Wohnzimmer.“
    „Ach – – “ sagte ich, unterließ es aber, meiner Verwunderung weiteren Ausdruck zu verleihen.
    „In der Ferienkolonie lag ich mit einer Menge anderer Kinder zusammen in einem großen Saal. Aber das war doch nicht dasselbe.“
    „Weißt du auch, woher das kommt, Lisbeth?“ sagte ich. „Das kommt daher, weil du keine Mutter hast. Mir ging es genauso, als ich klein war.

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