Brausepulver für den Papst
Schachzüge anging. Diesmal würde er nicht locker lassen. »Willst du damit sagen, dass unsere Freundschaft dir etwas bedeutet?«
Midian streckte die Beine von sich. »Na gut, ich mag euch. Wer will schon jeden Tag Champagner und Kaviar, nicht wahr?«
Justin zog eine Braue hoch und sah Fiona und Barbara vielsagend an. »Das heißt übersetzt, Midian liebt uns ganz wahnsinnig und kann ohne uns nicht leben.«
Midian deutete ein Gähnen an. »So ist es.«
»Und du willst dein Verhalten ändern?«
»Was soll ich tun? Mein Vermögen dem Tierschutzverein spenden?«
»Keine schlechte Idee«, stimmte Barbara zu.
Justin hob eine Hand. »Moment, Moment! Nur vernünftige Vorschläge, bitte! Die Situation ist zu ernst.«
In der folgenden halben Stunde wurde Midian mit Vorschlägen bombardiert, die reichten vom Leben als Mönch in einem tibetanischen Bergkloster über Babysitter bei bosnischen Kriegswaisen bis zum Sozialarbeiter bei Drogensüchtigen am Hamburger Hauptbahnhof. Mit verschränkten Armen und undurchsichtiger Miene hörte Midian sich alles an. Schließlich platzte ihm der Kragen. Seine flache Hand krachte auf den Tisch.
»Darf ich auch mal was sagen?«
Sofort verstummten alle. Midian beugte sich vor. »Das sind doch alberne Kindereien! Ich brauche eine große Bühne. Ich spiele, wie es euch gefällt … Shakespeare, aber nicht Molière. Ich deklamiere euch Vergil, aber nicht den Terenz!« Er schlug Justin auf die Schulter. »Humanistisches Gymnasium, zehnte Klasse. Vergessen? Na, macht nichts. Ich brauche drei Dinge: Dramatik, Beifall und eine gute Kasse. Sucht euch ein Stück aus, Freunde, bei dem ihr mitspielen wollt.«
»Unser Flüchtlingsprojekt hatte Dramatik!«, warf Justin bissig ein.
»Aber weder Beifall noch eine gute Kasse, hätte ich dein Libretto verwendet«, hielt Midian ihm entgegen. »Außerdem hätte ich damit meine anderen Freunde verärgert.«
»Entführe doch den Papst!«, entschlüpfte es Barbara.
Alle lachten, nur Midian nicht. Er warf Barbara einen bewundernden Blick zu. Hatte Grips und Witz, diese Frau. Kein Wunder, dass er eine Schwäche für sie hatte. Die Idee hätte von ihm stammen können. Er zählte an den Fingern ab: »Das hat Dramatik, sogar Flair, der Vatikan hat eine gut gefüllte Kasse, aber findet es auch Beifall?«
»Unseren bestimmt nicht, wenn du es nur aus Raffgier tust!«, warnte Justin.
»Genau!«, stimmte Barbara zu. »Aber man muss die positiven Aspekte sehen.«
Fiona sah ihre Freundin gespannt an. Sie wusste, Barbara konnte die Kirche nicht ausstehen.
Auch Justin sah Barbara fragend an. »Positive Aspekte? Außer einem Freudentanz fundamentalistischer Moslems kann ich nichts sehen.«
Barbara reckte sich und schien zu wachsen. Endlich war sie in ihrem Element. Midian spürte ihre Erregung und schenkte ihr sein bezauberndes Lächeln. Barbara sah ihn an wie ihren Erlöser.
»Wenn der Papst erstmal in deiner Gewalt ist, kannst du ihn zwingen, alle seine verstaubten Dogmen zu widerrufen. Außer dem Dogma der Unfehlbarkeit, denn das brauchen wir. Dann nötigst du ihn, ex cathedra zu sprechen.«
»Was?«, fragten Justin und Fiona.
Nur Midian zuckte nicht mit der Wimper. Offenbar war er gebildeter, als alle angenommen hatten.
Barbara verschickte herablassende Blicke. »Das heißt, jedes seiner Worte ist dann unfehlbar, kann nicht zurückgenommen werden, weil … kommen direkt von oben.« Sie deutete zum Himmel.
»Wie kann er dann die alten Dogmen widerrufen?«, fragte Fiona mit messerscharfer Logik. »Die hat er doch sicher auch alle mit ex … äh, gesprochen?«
Barbara zuckte mit den Schultern. »Ist nicht unser Problem. Die Kirche ist Weltmeister im Erfinden von Ausreden. Soll der Papst doch sagen, der liebe Gott habe es sich anders überlegt.«
Fiona dachte darüber nach, was für sie als Journalistin bei einer solchen Geschichte drin war. Erst die Exklusivreportage über die politischen Flüchtlinge im Sudan, nun eine handfeste Recherche über die Papstentführung. Das würde sie die Karriereleiter im Raketentempo hinaufkatapultieren. Die Kirchenseite bei
Rat & Tat
hatte ein anderer Kollege unter sich, aber den würde sie mit so einer Story einfach hinwegfegen.
Midian schnurrte wie ein satter Tiger. »Gut, damit hätten wir auch den dringend benötigten Beifall. Das könnte eine Inszenierung ganz nach meinem Herzen werden … das heißt, wenn ich eure Zustimmung habe.« Er stieß Justin an. »Was ist?«
»Hm.« Justin sah von einem zum anderen.
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