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Braut der Nacht

Braut der Nacht

Titel: Braut der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kalayna Price
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durch den Saal schweifen. Frauen in Cocktailkleidern und Abendroben unterhielten sich an den Tischen, lachten mit erhobenen Weingläsern oder konzentrierten sich darauf, in ihrem Essen herumzustochern. Männer im Smoking oder gelegentlich auch im Anzug lachten freundlich, schnitten ihre Steaks oder pafften aromatisch riechende Zigarren. Mein Puls legte einen Schlag zu, und ich stieß den Atem aus. Ich hatte nicht bemerkt, wie hungrig ich war, bis mich ringsum Menschen umgaben. Besorgt, dass meine Fangzähne hervortreten könnten, presste ich die Lippen zusammen, doch meine Zähne waren weiterhin flach, das Brennen in meinem Kiefer blieb aus. Ich war hungrig– nicht ausgehungert.
    Mit angehaltenem Atem zwang ich mich, den Raum noch einmal abzusuchen. Nur Menschen. Die Crème de la Crème der Gesellschaft, ohne Zweifel, aber Menschen. Keine Vampire. Kein Rat.
    Bereit zu gestehen, dass mir dieser besondere Vampir-Sinn fehlte, holte ich gerade Luft, als Nathanial von einem Tisch in der Mitte des Saals aufstand. Es geht ihm gut.
    Erleichterung sprudelte in mir empor, und ich spürte, wie sich ein Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitete. Er erwiderte mein Lächeln nicht, doch als er nickte, eine langsame, bedächtige Geste, hielten seine grauen Augen meinen Blick fest. Einen Augenblick lang vergaß ich, dass sonst noch jemand im Raum war. Aber wenn er hier war, dann war es der Rest des Rates auch. Ich blinzelte und riss meinen Blick los.
    Der Rat saß um einen großen, ungedeckten Tisch in der Mitte des Saals herum. Wie hatte ich das übersehen können? Nachdenklich ging ich auf sie zu, wobei ich versuchte, mich daran zu erinnern, welche Gäste ich gesehen hatte, bevor Nathanial aufgestanden war. Hatte nicht gerade noch eine Gruppe von Geschäftsleuten an diesem Tisch gesessen?
    Eine Illusion? Wenn ja, dann war sie ziemlich aufwendig. Nathanials Augenwinkel waren kaum merklich zusammengekniffen und seine Lippen dünner als gewöhnlich– offensichtlich kostete es ihn einige Anstrengung, die Illusion für den gesamten Tisch aufrechtzuerhalten. Warum suchten sie sich keinen privaten Ort für diese Unterhaltung?
    Das hätte mehr Sinn ergeben… es sei denn, Tatius zwang Nathanial, die Illusion als eine Art Bestrafung aufrechtzuerhalten. Schließlich hatte Nathanial seine Fähigkeit in dem Versuch, mich zu verbergen, gegen Tatius eingesetzt.
    Es gab keinen leeren Stuhl am Tisch, doch als ich näher kam, bedeutete Nathanial mir, seinen zu nehmen. Er saß zwischen Mama Neda, der alten Krähe, die sich um mich gekümmert hatte, gleich nachdem ich verwandelt worden war, und einem blonden Vampir. Nathanial rückte den Stuhl näher an die alte Frau heran, bevor er ihn mir anbot. Ich setzte mich, doch als Nathanial sich umdrehte, um sich einen weiteren Stuhl zu holen, hakte der Blonde seinen Fuß unter die Sprosse und zog mich näher zu sich.
    Ich runzelte die Stirn, als ich die kantigen, flächigen Züge von Tatius’ Gesicht erkannte. Blond? Im Ernst? Sein Haar hing in langen hellen Strähnen herab und hob sich beinahe leuchtend vom dunklen Stoff seines Smokings ab. Entweder hatte er beim Färben heute Abend verteufelt gute Arbeit geleistet, oder er hatte sie– ausnahmsweise– überhaupt nicht gefärbt. Er sah anders aus ohne seine Punkfrisur und die Auswahl an Piercings. Weniger spöttisch, sondern eindringlicher. Und er war auch so schon eindringlich genug. Wie kommt es eigentlich, dass er einen Smoking trägt und ich in einem Lackkleid und einem Korsett stecke?
    Nathanial sagte nichts, als er mit dem Stuhl zurückkam. Er stellte ihn nur auf den Platz neben Mama Neda und richtete seine Aufmerksamkeit auf den Tisch.
    »Fahr fort«, sagte Tatius mit einer ausladenden Geste.
    Nuri, in einem mitternachtsblauen Kleid, das wie angegossen an ihrem noch unentwickelten kindhaften Körper saß, nickte und räusperte sich. »Wie ich schon sagte, habe ich nun jeden hiesigen Vampir befragt bis auf Magritte und Gareth. Ich habe Vollstrecker auf die Suche nach den beiden geschickt, aber ich habe keinen Grund zu glauben, dass ihre Abwesenheit ungewöhnlich ist oder mit dem Tod der Menschenfrau im Zusammenhang steht.«
    Nuri blickte auf, wie um Tatius’ Reaktion auf ihre Worte zu prüfen. Mit einem Nicken bedeutete er ihr fortzufahren. Er wirkte sogar interessiert an ihrem Bericht. Hört er seinen Ratsmitgliedern tatsächlich zu? Nathanial hatte ihn einmal einen Marionettenrat genannt, und ich hatte den Eindruck, dass Tatius ein Tyrann war.

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