Braut der Schatten
Bettina in ihren Turm zurückgekehrt war – kein Zeichen von Dakiano.
Sie hatte die Zeit mit Morgana und Salem in ihrem Zimmer verbracht. Die beiden waren davon überzeugt, dass Bettina und der Prinz der Schatten noch in dieser Nacht bis zum Letzten gehen würden, darum hatten sie beschlossen zu warten, mit ihr Nachtwache zu halten – und ihr ein paar hilfreiche Tipps zukommen zu lassen.
Bettina war überhaupt nicht davon überzeugt, dass dies passieren würde.
Ich möchte nur mit ihm reden, ihn nach seiner Meinung fragen.
Sie wusste genau, was sie sagen würde: »Okay, du hattest recht, Vampir. Cas ist nur ein Freund, aber immerhin mein ältester und bester. Ich darf ihn keinesfalls verlieren. Der Gedanke, zum allerersten Mal Sex zu haben – und dazu noch mit dem Mann, der meinem besten Freund den Kopf abschlagen wird –, verunsichert mich. Irgendwelche Vorschläge? Kommentare?«
Jetzt kreuzte Bettina die Arme vor der Brust. »Ihr meintet doch, er würde kommen.«
»So sehr sehnst du dich also danach, mit dem Vampir ins Bett zu gehen?«, fragte Morgana. Sie lehnte am Fußende von Bettinas Bett, ein Weinglas in der Hand. Sie wirkte beschwipst, entspannt und glücklicher, als Bettina sie seit … also, überhaupt jemals gesehen hatte.
Salem hatte es sich in ihrem Kopfputz gemütlich gemacht und summte zufrieden vor sich hin.
»Du wirst auf keinen Fall zu ihm gehen! Das könnte er als Schrei der Verzweiflung deuten«, sagte Morgana. »Er wird schon noch kommen.«
Bettinas Augen wurden groß, als ihr plötzlich ein Gedanke kam. Oh ihr Götter, womöglich waren Dakianos Verletzungen schlimmer, als sie angenommen hatte. Sie sprang vom Bett herunter.
»Salem wird die Türen verriegeln, nicht wahr, Salem?«
»Na klar doch, Morgana.« Salem schnurrte geradezu vor Wohlbehagen.
Mit einem wütenden Blick auf die beiden setzte sich Bettina wieder hin. Seit wann waren die zwei eigentlich beste Freunde?
»Außerdem ist unsere kleine Unterhaltung noch nicht zu Ende«, sagte Morgana. Der Vortrag mit den Bienen und den Blümchen. »Ich komme doch gerade erst zum guten Teil.«
Bettina wusste genau, dass sie, ganz gleich, wie sehr sie ihr Gehirn auch gedanklich schrubben und scheuern würde, die »weisen« Worte der Zauberin niemals in ihrem Leben vergessen könnte. Genauso wenig wie Salems Kommentare.
Unter anderem musste sie Folgendes erfahren:
Die Refraktärzeit eines Unsterblichen: »Ein Vampir im besten Mannesalter? Wir sprechen von Sekunden, Kleines.«
Die seltenen fruchtbaren Perioden einer Sorcera: »Also willst du vorläufig noch keine kleinen Knöchelbeißer haben? Denn eins du musst wissen, Prinzessin, die Vampirbrut wird dir auf jeden Fall in die Knöchel beißen. Du wirst ein flottes Tänzchen aufführen.«
Und dann war da noch irgend so ein Sterblicher namens Gräfenberg: »Das ist genau der Punkt!«
Und auch wenn Bettina diese Informationen kaum verdauen konnte, wollte sie doch immer noch lieber zuhören als ganz allein auf Dakiano warten und nur dem Ticken der Uhr lauschen zu müssen. »Ihr beide geht also einfach so davon aus, dass ich mit dem Vampir schlafen werde?«
»Ob’s dir nun gefällt oder nich’, er wird kommen«, sagte Salem. »Vermutlich hübscht er sich nur noch ’n bisschen für dich auf. Lässt seine Wunden abheilen und so.«
Morgana grinste. »Ah, der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.«
Er kicherte.
Bettina kniff die Augen zusammen. »Ihr seid beide …
glücklich
. In Feierstimmung.«
»Ja, mein Kind«, erwiderte Morgana mit ausdruckslosem Gesicht. »Wir freuen uns, dass du keine riesige, krötenartige Kreatur heiraten musst.« Jetzt kicherten sie beide.
»Ich werde morgen jemanden verlieren«, sagte Bettina ernst. »Ich werde dabei zusehen müssen, wie er stirbt.«
»Cas ist ein großer Junge«, sagte Salem in barschem Tonfall. »Wenn er überleben will, kriegt er auch raus, wie er siegen kann. Ich bin schon zu Kämpfen angetreten, bei denen meine Chancen wesentlich schlechter standen.«
In Momenten wie diesen erkannte Bettina, dass Salem härter – und kälter – war, als sie anfangs angenommen hatte. Er konnte verspielt sein und neckte sie gerne, aber hinter dieser Fassade lauerte ein kaltschnäuziger, abgestumpfter Krieger. Sie öffnete gerade den Mund, um ihn nach seinem Fluch zu fragen …
Doch ohne jede Vorwarnung translozierte sich plötzlich Dakiano ins Zimmer. Wieder sprang Bettina rasch auf die Füße.
Der Vampir verschwendete keine Zeit.
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