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Braut von Assisi

Braut von Assisi

Titel: Braut von Assisi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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schnell und aufgeregt schlug sein Herz. Der nächste Tote – bereits der vierte, wenn er Suor Magdalena und den vermeintlich Aussätzigen dazuzählte!
    Leos übel zugerichtete Hände brannten, als er seinen Beutel unter der Kutte hervorzog, die beiden Pergamentstückchen herausholte und nebeneinander auf den kleinen Tisch legte.
    re – mehr als diese beiden Buchstaben stand nicht auf dem ersten, das er in San Damiano unter Magdalenas Lager gefunden hatte und seitdem bei sich trug.
    Sarò per lei quella madre che sono per tutte le sorelle …
    Leo starrte auf die beiden Fundstücke, schob dann aber schon bald Sebastianos schmutzigen Fetzen enttäuscht zur Seite. Angesichts dieser mageren Ausgangslage ließ sich
beim besten Willen kein Vergleich der Handschriften erstellen. Und wie sollte auch eine Gemeinsamkeit zweier Schriftproben, die so weit voneinander entfernt gefunden wurden, möglich sein? Dennoch gab es da dieses Prickeln im Nacken, das Leo aufhorchen ließ, nicht besonders stark ausgeprägt, aber spürbar.
    Abermals musterte er das Geschriebene. Konnte es möglicherweise einen Zusammenhang geben, den er bislang nicht erkannte?
    Nach einer Weile schüttelte er den Kopf. Vermutlich war etwas ganz anderes schuld an seiner Aufgewühltheit, die sich nicht legen wollte – Stella! Er hatte einige Frauen gekannt, doch das war ganz am Anfang seines Ordenslebens gewesen, bevor er die ewigen Gelübde abgelegt hatte. Eigentlich war er fest davon überzeugt gewesen, nie wieder sündhaften Anfechtungen zu erliegen, doch was ihn mit diesem jungen Geschöpf verband, war sehr viel mehr als nur fleischliches Begehren und daher umso gefährlicher.
    Alles an Stella zog ihn an, ihre Stimme, ihr Gang, ihre unergründlichen Augen. Ihr ganzes Wesen. In ihrer Gegenwart fühlte er sich so aufgeregt wie ein Junge, der das ganze Leben noch vor sich hat, und so vollkommen wie ein Mann, der endlich spürt, welch wichtiger Teil ihm bislang fehlte. Er hatte niemals zu denen gehört, die Askese um ihrer selbst willen guthießen. Lust, Sehnsucht und Begierde – sie alle waren Gottes Werk, und sie kategorisch zu verbieten brachte oftmals nichts als Heimlichkeit und Elend. Und doch hatte Leo freiwillig darauf verzichtet. Niemand hatte ihn zum Klostereintritt gezwungen, wenngleich er damit einem unausgesprochenen Wunsch seines Vaters nachgekommen war.
    Sollte die Mutter nach all den Jahren recht bekommen,
die ihn schon damals vor diesem Schritt gewarnt hatte? Aus dir wird niemals ein Mönch, Leonhart, du bist und bleibst ein Spieler …
    Leo fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, als könnte er damit den Klang ihrer weichen Stimme vertreiben, den er bis heute im Ohr hatte.
    Er war keiner, der seine Versprechen brach! Er sank auf die Knie, fest entschlossen, den Gelübden treu zu bleiben, die er aus tiefster Überzeugung abgelegt hatte, und begann inbrünstig zu beten.
    Als es wenig später an seine Tür klopfte, schrak er zusammen, so tief war seine Versenkung gewesen. Er stand auf und öffnete.
    »Sie sind da.« Stella schenkte ihm ein brüchiges Lächeln, das rasch wieder verflog, als sie bemerkte, wie ernst sein Gesicht war. »Eine Gruppe von Männern, dazu einige Frauen. Sie wollen aufbrechen, bevor es dunkel wird.«
    »Ich bin bereit.« Leo trat zu ihr. »Und du willst wirklich mit?«, vergewisserte er sich noch einmal.
    »Warten ist nicht meine Stärke«, sagte Stella. »Wie solltest du dich außerdem mit ihnen verständigen?«
    Die Leute aus Rieti hatten Maultiere und ein paar Pferde mitgebracht, denen sich nun auch Leo und Stella auf Fidelis anschlossen. Pinos Bruder Filippo, ein breitschultriger Mann mit der sonoren, weit tragenden Stimme des geborenen Anführers, ritt voran. Man hatte sich mit Schaufeln und anderen Gerätschaften ausgerüstet, dazu mit einer hölzernen Bahre, wie Leo es empfohlen hatte.
    Er spürte, wie achtsam Stella vor ihm im Sattel saß, den Rücken wieder kerzengerade, um jede Berührung mit ihm möglichst zu vermeiden. Sogar ihr Nacken, den die helle Haube entblößte, die sie nicht abgelegt hatte, seitdem sie hier in Rieti waren, wirkte angespannt.

    Im Wald empfing sie munteres Vogelzwitschern, doch als sie schließlich die Quelle erreicht hatten, waren nur noch vereinzelte Eulenrufe zu hören, die wie eine dumpfe Klage klangen. Der Tross ritt weiter bis zur Kapelle, wo alle abstiegen, um den restlichen Weg zu Fuß zurückzulegen.
    Schweigen herrschte, während die Männer unter den Felsüberhang traten

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