Braut von Assisi
ein Stück weitergeritten waren, tauchte links von ihnen auf einem der Hügel ein stattliches Kloster auf, golden schimmernd in der späten Nachmittagssonne.
Sollte er dort um Einlass bitten?
Im Ulmer Kloster machten oft Mönche anderer Konvente Rast, und es galt den frommen Brüdern als Selbstverständlichkeit, sie aufzunehmen. Auf diese Weise hatte er vor einigen Jahren auch Johannes von Parma kennengelernt, nicht als Ordensgeneral mit großem Gefolge, sondern als einen Pilger, auffallend klein von Gestalt und vor Kälte zitternd, der im weißen Zisterzienserhabit in einer kalten Novembernacht an ihre Pforte geklopft hatte.
Johannes hatte laut gelacht, als Leo ihn später auf die weiße Kutte angesprochen hatte. Da waren sie schon ins Gespräch vertieft und begannen zu spüren, wie sehr sie einander schätzten.
»Was tut schon die Farbe zur Sache? Bedeutungslos, wenn du mich fragst. Nicht braune oder weiße oder schwarze Gewänder sind doch von Belang, sondern das Herz des Mannes, der darin steckt. Ich bin unter die Räuber geraten, die übel mit mir verfahren sind, und diese milde Gabe hat mich vor Kälte und Scham gerettet. Da habe ich nicht lange gefragt, woher sie stammt, sondern sie einfach angezogen und mich beim gütigen Gott herzlich dafür bedankt. «
Stundenlang hätte Leo ihm zuhören können! Johannes, der sich aufgemacht hatte, möglichst viele Klöster seiner verschiedenen Provinzen zu besuchen, und schon seit Monaten zu Fuß unterwegs war, schien erfreut und berührt, in Leo einen begierigen Schüler gefunden zu haben. Obwohl der Abt es nicht allzu gern gesehen hatte, waren die beiden
einige unvergessliche Tage lang unzertrennlich gewesen, bis Johannes aufgebrochen war. Leo blieb im Kloster zurück, erfüllt von Erkenntnissen, die ihm bislang fremd gewesen waren.
Weil Johannes von Parma Leo und seiner Wahrnehmung uneingeschränkt vertraute, hatte der Ordensgeneral ihn wohl auch als Visitator für San Damiano ausgewählt. Doch was hatte Leo bislang zustande gebracht? Und was, wenn es Madre Chiara während seiner Abwesenheit noch schlechter ging und sie womöglich starb, bevor er wieder zurück war?
Leo trieb seine Stute den Weg zum Kloster hinauf und versuchte, diese dunklen Gedanken zu verscheuchen.
Die Abtei musste reich sein und schon seit Langem bestehen, das zeigten ihm die üppigen Weinberge sowie die sorgfältig kultivierten Olivenhaine, an denen er vorbeiritt, von den stolzen Steinmauern ganz abgesehen, die das riesige Areal wie eine Festung umschlossen.
Das können nur Benediktiner sein, dachte Leo, noch bevor er die schwarzen Kutten der Mönche entdeckt hatte, die vereinzelt unter den Bäumen bei der Arbeit zu sehen waren. Die Vorstellung, mit frommen Brüdern zu beten und endlich wieder einmal die festen Riten des Ordenslebens zu spüren, zog ihn an. Schon halb einen launigen Willkommensgruß auf den Lippen, zügelte er Fidelis, da ihm mit einem Mal die säuerlichen Züge des Secretarius in den Sinn kamen. Wenn Guilhelmo ihn schon so abgekanzelt hatte, wie würde dann erst eine ganze Gemeinschaft von Benediktinermönchen auf einen Minderbruder reagieren, der noch dazu von jenseits der Alpen stammte?
Fidelis gab ein leises Wiehern von sich, das Leo spontan als Entscheidungshilfe wertete.
»Du willst nicht zu ihnen? Ich auch nicht, wenn ich ehrlich
bin. Wir beide schlafen also heute Nacht unter freiem Himmel«, sagte er, während er ihren Hals tätschelte. »Unter Gottes herrlichen Sternen. Und morgen reiten wir weiter in die Ewige Stadt.«
Antonellas Miene erstarrte, als sie Stella mit geschnürtem Bündel in der Gaststube erblickte.
»Ihr wollt fort?«, entfuhr es ihr.
Stella nickte.
»Und wo ist der padre ? Heute Morgen habe ich in seiner Kammer nur noch diese Münzen vorgefunden. Per Antonella – das hat er mit Kreide auf den Tisch gekritzelt. Folglich habe ich das Geld auch an mich genommen.«
Stella trat einen Schritt vom Fenster zurück, damit man ihre verweinten Augen nicht sah. »Meint Ihr vielleicht, er würde fortgehen, ohne die Zeche zu begleichen?«, sagte sie.
»Wollt Ihr ihm denn nicht hinterher? Dann müsst Ihr Euch freilich beeilen. Das Pferd ist auch nicht mehr im Stall.«
Stella zog stumm die Schultern hoch.
»Habt Ihr Euch gestritten?« Dem neugierigen Blick der Wirtin schien nichts zu entgehen. »Denn mir scheint, Ihr wisst wirklich nicht, wo er ist«, bohrte sie weiter, als abermals die Antwort ausblieb.
Stella schwieg weiterhin beharrlich,
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