Braut von Assisi
doch zur Hochzeit zu kommen.«
»Das wäre wunderbar!«, rief Ilaria, deren Hände müßig im Schoß lagen.
Ihre ghirlanda hatten fleißige Näherinnen in endlosen Arbeitsstunden gefertigt, was gegen die Tradition verstieß, doch darum schien sie sich nicht zu scheren. Hauptsache, sie leuchtete sonnengleich auf ihren blonden Locken – und alle Welt konnte das sehen.
»Darauf verlassen würde ich mich allerdings lieber nicht!«, sagte sie. »Federico hat mir erzählt, wie streng sein Onkel sein kann. Aber ist andererseits Carlo nicht sein einziger Sohn?« Sie sprang auf, schenkte sich aus einem Krug frische Zitronenlimonade ein. »Sie müssen sich fürchterlich gestritten haben, Carlo und er«, fuhr sie fort. »Schon vor geraumer Zeit. Mehr wollte mein Schatz mir nicht verraten, leider auch nicht den Grund ihres Zerwürfnisses. Doch ist eine Hochzeit nicht immer die beste Gelegenheit zur Versöhnung? Und eine anmutige Schwiegertochter bekommt er ja schließlich auch.«
Sie packte Stella am Arm, zwang sie, das Stickzeug wegzulegen, und wirbelte übermütig mit ihr durch die Stube.
»Hast du deinen geheimnisvollen Mönch jetzt endlich vergessen?«, flüsterte sie. »Seit Tagen hat er sich ja nahezu unsichtbar gemacht. Das Mal an deinem Hals sieht man übrigens kaum noch. Du brauchst es also nicht mehr zu verstecken.«
»Padre Leo war niemals mein Mönch«, protestierte Stella, der bei dem wilden Reigen allmählich schwindelig wurde. »Ich hab ihm lediglich geholfen …« Ilaria hatte sie so abrupt losgelassen, dass sie beinahe gefallen wäre.
»Mir musst du nichts erzählen«, sagte diese ungehalten. »Aber dir solltest du auch nichts vormachen, Stella! Ich
kenne doch deinen speziellen Blick, wenn deine Augen vor lauter Träumerei ganz milchig werden. So und nicht anders hast du diesen Fremden angestarrt.«
»Gar nichts habe ich.« Stellas Kopf war wieder tief über die Haube gebeugt. »Aber wer sagt denn, dass Carlos Vater überhaupt mit unserer Heirat einverstanden ist? Schließlich kann ich keine richtigen Eltern vorweisen.«
»Was für Unsinn redest du da? Simonetta und Vasco Lucarelli – wer auf der Welt könnte sich bessere Eltern wünschen?«
»Du weißt ganz genau, was ich meine. Dich haben sie in Liebe gezeugt, während man ihnen mich eines Tages wie ein Bündel nasses Heu vor die Türe gelegt hat.« Sie schob die Haube auf den Tisch. Ihre Augen schimmerten verdächtig.
»Hast du die beiden überhaupt schon einmal gefragt, wie es sich damals wirklich zugetragen hat?«, sagte Ilaria behutsam. »Früher warst du dafür natürlich zu klein, aber jetzt, wo du erwachsen bist …«
»Mindestens tausendmal!«, fuhr Stella auf. »Aber sie wollen mir nichts sagen. ›Du bist unsere Tochter – und basta‹, nichts anderes ist aus ihnen herauszubekommen. Dabei muss ich ständig an die denken, von denen ich wirklich abstamme. Ob ich ihnen ähnlich bin – meiner Mutter, meinem Vater, was meinst du? Ob sie noch am Leben sind? Vor allem aber, was hat sie dazu gebracht, mich wegzugeben? Vielleicht laufe ich ihnen ja ständig über den Weg – und weiß es nicht einmal.«
»Das alles höre ich zum ersten Mal aus deinem Mund«, sagte Ilaria erstaunt. »Was geht nur in dir vor, mein Sternchen? Ich dachte immer, du fühlst dich wohl bei uns. Und du wärst gern meine Schwester.«
»Das bin ich auch.« Inzwischen flossen erste Tränen. »Du bist das Beste in meinem Leben. Und natürlich bin
ich Simonetta und Vasco unendlich dankbar – für alles. Aber ich muss doch wissen, wer ich bin. Kannst du das nicht verstehen, Ilaria?«
Es blieb eine Weile still im Zimmer. Sonnenlicht fiel auf den Tisch und ließ den hellen Damast der Brauthaube wie Perlmutt schimmern.
»Da war doch immer eine Frau, die uns gehütet hat«, sagte Ilaria schließlich, »als wir noch kleine Kinder waren. Du warst mit ihr unendlich vertraut, das hat mich damals oft eifersüchtig werden lassen. Ich bin sogar absichtlich unartig gewesen, nur damit sie mich mehr beachtet. Aber was immer ich auch angestellt habe, du warst und bliebst ihr Liebling. An das Gesicht erinnere ich mich noch genau. Aber der Name fällt mir einfach nicht mehr ein …«
»Marta«, rief Stella. »Meinst du vielleicht sie?«
»Ja, ganz genau – Marta! Sie hat auf uns aufgepasst …«
»Sie hat mich gestillt«, unterbrach Stella sie. »Marta war anfangs meine Amme, das hat sie mir später einmal gesagt. Wieso kommst du ausgerechnet jetzt auf sie?«
»Vielleicht weiß
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