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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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Brüder gerufen –, schlanke, kleine Düsenflugzeuge, zwei australische und drei englische. Das war die Geschwindigkeitsklasse, damit hatten sie nichts zu tun.
    Fröstelnd zog sie ihre Jacke enger um sich herum.
    Hinter den Seilen beim Flughafengebäude warteten die Zuschauer, Menschen, die in der furchteinflößenden Stadt London wohnten und das als ganz normal empfanden. Ihre eigene Welt war der Weg zur Kirche, der Deich, der öffentliche Park, die Windmühlen und das Schilfrohr um den Westplas, in dem man im Sommer den modrigen Boden unter den Füßen fühlte. Und in der Stille kündigte jedes Auto seine Ankunft schon von weiter Ferne an. Gewalttätig waren hier nur die Hechte, die die jungen Enten nach unten zogen (flupp, von einer Sekunde zur anderen war so ein kleines Ding vor deinen Augen verschwunden, und übrig blieb nicht mehr als ein Kreis auf dem Wasser. Das war alles, und die Mutterente schwamm einfach weiter. Sie merkte nicht einmal, dass sie nur noch drei hatte, und kurz darauf war auch der Kreis verschwunden). Gewalttätig waren auch die nächtlichen Gewitter, bei denen Dachziegel durch die Straßen flogen, Adas Vater die ganze Familie im Pyjama ins Wohnzimmer scheuchte und auf den Weiden gelegentlich eine Kuh getroffen wurde. Manchmal klangen dann die Predigten in ihren Ohren, die von der Kirchenkanzel donnerten. Bei der Vorstellung der riesigen Stadt London war es Ada immer schwindelig geworden – unglaublich, dass es dort Menschen gab, die sich in dem Straßengewirr und Verkehrschaos tatsächlich zurechtfanden. Für Ada war das ein unbegreifliches Phänomen. Doch hier standen sie nun zu Tausenden hinter den Absperrseilen, und sie alle versuchten, einen Blick auf den Herzog von Gloucester mit seiner grünen Startflagge zu werfen – denn wie oft im Leben hat man die Gelegenheit, einen echten Herzog zu sehen, wenn er auch aussieht wie jeder andere, in seinem Anzug?
     
    Es war nach vier, als die Funktionäre ihre leeren Champagnergläser auf die Tabletts stellten. Die drei Flugkapitäne mit ihren Kopiloten stellten sich zum letzten Mal in Pose als die Helden, die sie ja schließlich nun einmal waren, während die Namen der niederländischen Auswanderer aufgerufen wurden. Sie mussten sich alle auf eine Flugzeugtreppe stellen, die für so viele Menschen zu schmal war, was für einige Witze und fröhliches Gelächter sorgte. Ada blieb todmüde unten stehen, um das Gedränge zu vermeiden. Sie bemerkte, wie nichtig sie alle unter dem glänzenden Bauch mit den riesigen Propellern an der Seite waren. Ihre Zimmernachbarin mit den dunklen Locken kam mit wiegenden Hüften angelaufen. Sie trug eine weite, lange Hose. Unbefangen erwiderte sie die Blicke der prüfenden Augen, anscheinend war sie das gewohnt. Heute Morgen hatte Ada sie leichenblass im Bett liegen sehen, und das Erste, was ihr jetzt auffiel, waren die blutrot gemalten Lippen, sie konnte ihre Augen nicht davon abwenden.
    Als Letztes kam das hagere Mädchen angelaufen, mit vor Aufregung gerötetem Gesicht. Das Brautkleid hing in einem Kleiderbeutel an ihrem Arm. Aus ihrem blauen Koffer hing ein Stück des Schleiers heraus, der hin und her flatterte. Die Koffer waren von der KLM ausgeteilt worden, bitte schön, Ihr Erfolgskoffer. Das Mädchen versuchte, sich zwischen die Leute auf die Treppe zu quetschen, doch es war zu voll. Deshalb standen die drei vorne nebeneinander, als das allerletzte Abschiedsfoto gemacht wurde.
    »Habt ihr mich dort gerade gesehen?«
    Das Mädchen musste fast schreien, um gegen den Lärm anzukommen. Sie hustete.
    »Für die
Katholieke Illustratie
, hübsch, was?«
    Und wieder winkten sie der unbekannten Menge der Zurückbleibenden, riefen cheese und verzogen die Mundwinkel zu einem breiten Lächeln.
    »Es kommt auf die Titelseite. Pa schickt es mir zu.«
    Daheimgebliebene, die schon bald die Zeitung aufschlagen, dieses tapfere Winken sehen werden und denen es dann leidtun wird, dass sie dich so einfach haben gehen lassen. Ada wusste genau, dass sie darauf deutlich zu erkennen sein würde, so weit vorne, wie sie stand. Wie hübsch sie darauf aussieht, sagt ihr Vater, guck nur, wie sie winkt. Ihre Mutter beugt sich über seine Zeitung, sieht ihr kleines Küken – zu spät.
    »Und die
Libelle
hat auch Interesse.«
    Ihr Arm war schwer wie Blei, und sie musste kurz aufhören zu winken. Sie senkte den Kopf und atmete durch den Mund. Ihr war übel vom Benzingestank, der um das Flugzeug herumhing, und fortwährend entwischten

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