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er sich.
»Ich weiß, wer dahintersteckt.« Phoebe räumt Geschirr in die Spüle. »Hab läuten hören, Haim Hanegbi sei mit dem Text und einem Bündel Bargeld in der Hand bei Haaretz reinmarschiert.«
»Der Journalist?«
»Genau der.«
»Warum hat er nicht unterschrieben?«
»Wahrscheinlich, damit’s überhaupt einer liest.«
Hanegbi ist Mitglied einer linken Gruppierung aus hebräisch und arabisch sprechenden Israelis namens Matzpen, die sich von den hiesigen Kommunisten abgespalten hat. Deren moskauhöriger Kurs ging den Matzpen-Aktivisten zu weit, was aber schon ihre einzige gemäßigte Haltung darstellt. Tatsächlich sind sie um einiges radikaler als die Kommunisten. Unterstützen offen den Befreiungskampf der palästinensischen Araber, wenden sich gegen die zionistische Philosophie, wonach Staat und jüdisches Volk untrennbar verbunden sind, fordern die Eingliederung Israels in eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens.
Alles Positionen, mit denen sie auf der Beliebtheitsskala noch hinter Kopfläusen rangieren.
Die meisten Israelis hassen sie. Der Sechstagekrieg hat ein Klima geschaffen, in dem Linke und Friedensaktivisten nicht gerade aufblühen. Wenn also im Moment irgendwo Hanegbis Name drüber- oder druntersteht, beschlägt den Leuten gleich die Brille.
»Es sind mehrere, die mitgemacht und nicht unterschrieben haben«, sagt Phoebe. »Schätze, das Geld mussten sie bar auf den Tisch legen, damit Haaretz das Pamphlet überhaupt druckt.«
»Und was denkst du darüber?«
Phoebe gibt ihm einen Kuss und lächelt.
»Ich denke, dass ich dich schon wieder viel zu lange von der Arbeit abgehalten habe.«
»Im Ernst.«
Sie zuckt die Achseln. »Was denkst du darüber?«
Wenn er das bloß wüsste.
Er entsinnt sich eines flammenden Plädoyers, das er seinem Bruder Benjamin in Kfar Malal gehalten hat, 20 Jahre muss das her sein oder länger. Damals hat Jehuda die Meinung vertreten, jeder Versuch, sich Gebiete jenseits der Grünen Linie anzueignen, sei ein aus nationalistischem oder religiösem Wahn beschrittener Holzweg, der unweigerlich Tod und Verderben zur Folge haben müsse.
Aber die Lage ist eine völlig andere.
Natürlich bemächtigen sich die Nationalreligiösen des Themas, sie sind im Aufwind wie kaum je zuvor. Dieser Sieg kann nur von Gott gegeben sein. Die Erlösung hat begonnen, selbst beinharte Atheisten zweifeln neuerdings, ob da nicht höhere Gewalt im Spiel war. Einer nach dem anderen kommen die Hardliner aus der Deckung, und anders als früher werden sie mit Applaus bedacht. Eine »Großisrael-Bewegung« formiert sich, die keinen Zweifel daran lässt, den Messias unter Einsatz aller Mittel herbeisiedeln zu wollen. Jedes Fleckchen Westbank, das der Premier zur zivilen Nutzung freigibt, bringt die Gläubigen ihrem Ziel näher, und natürlich haben sie weiterreichende Vorstellungen von Eretz Israel als die paar Quadratkilometer, die Eschkol nun doch annektieren will. Dessen Strategie zielt darauf ab, die Araber mit der Freigabe kleinerer Gebiete für Siedlungszwecke derart zu verschrecken, dass sie sich zu Friedensgesprächen gezwungen sehen, um Schlimmeres zu verhindern.
Bloße Taktik also.
Doch bloße Taktik nimmt Gott übel.
Wegen taktischer Winkelzüge wird sich der Messias nicht herbei bequemen, und ist es denn Zufall, dass die eroberten Gebiete Israel genau zu jenem Ganzen komplettieren, das in der Bibel als LAND ISRAEL beschrieben wird? Kann man diese Zeichen überhaupt missdeuten? Zeigt sich hier nicht ganz klar die Verheißung?
Mag sein.
Jehuda kann nichts Derartiges erkennen.
Für ihn zeigt sich lediglich, dass die Araber selbst Schuld tragen an ihrer verfahrenen Lage. In seinen Augen ist der Ausgang des Sechstagekrieges weder Resultat höheren Wirkens noch Anlass, 2000 Jahre alte Grundbucheintragungen zu thematisieren. Die Gebiete sind an Israel gefallen als Ergebnis eines Präventivschlags, der erforderlich wurde, um die eigene Vernichtung abzuwenden.
Sie zu besetzen, ist nur legitim.
Aber auch, sie zu behalten?
Zu besiedeln?
Jehuda steht unschlüssig in der Tür. Zu kompliziert im Augenblick.
»Ich muss dann mal.«
Am selben Abend schleppt er Yousef und Fatima zum Essen mit nach Hause, und da liegt ein Exemplar von Maariv auf dem Tisch, Israels auflagenstarker Abendzeitung.
»Seite 24«, ruft Phoebe aus dem Arbeitszimmer.
Sie muss einen Artikel für haOlam haZeh fertigstellen, ein linksliberales Nachrichten- und Unterhaltungsmagazin, darum hat Jehuda
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