Breaking News
zurück, wo er seitdem auf seinen Prozess wartet.
»Und das Mädchen?«
»Haben sie letzte Woche verurteilt«, sagt Björklund.
»Wie viel? Zehn Jahre? Zwölf?«
»Viereinhalb.«
»Da hat sie ja noch richtig Glück gehabt.«
»Ihre Fans sehen das anders. Und sie hat Fans. In den letzten Monaten ist sie so etwas wie eine Volksheldin der linken Szene geworden. Sie bekommt Heiratsanträge. Sie hat sogar ein paar heimliche Fans beim Schin Bet.«
Björklund macht eine Pause, trinkt einen Schluck.
»Womit wir bei Teil zwei der Geschichte sind, fast noch abgefahrener als der erste. Esther Weinstein –«
Hagen seufzt.
Wer zum Teufel ist jetzt wieder Esther Weinstein?
»– musst du nicht kennen, keine Angst«, beruhigt ihn Björklund. »Im Gegensatz zur Kamm-Blau-Affäre ging diese Sache nämlich nie durch die Medien. Weinstein ist eine Informatikstudentin, die vorübergehend fürs Militär arbeitet und später ins Zentralkommando des Schin Bet wechselt. Dort koordiniert sie den Informationsfluss zwischen Geheimdienst und Armee, speziell was terroristische Umtriebe in Gaza und Westbank betrifft. Du weißt schon, der Schin Bet observiert die bösen Jungs, gibt seine Erkenntnisse an Zahal weiter, und die schicken eine Viper oder einen AH 64, um das Problem zu lösen.«
»Nicht immer durch die Rechtslage gedeckt.«
»Wie wir jetzt wissen. Und Esther Weinstein weiß das auch. Und es empört sie ebenso, wie es Anat Kamm empörte. Sie hat das gleiche linksliberale Gen, spielt schon länger mit dem Gedanken, mal was durchsickern zu lassen, nur dass sie sich bislang nicht getraut hat.«
»Bis Blaus Artikel erscheint.«
»Wasser auf ihre Mühle. Sie denkt, endlich kommt Bewegung in die Sache, aber dann muss Blau fliehen, und was in Weinsteins Augen noch viel schlimmer ist: Kamm wird unter Arrest gestellt. Und es ist ihre verdammte Behörde, die das Mädchen enttarnt hat.«
»Kennen sich die beiden?«
»Nein, ein Fall von Bewunderung aus der Distanz. Weinstein mussmiterleben, wie Geheimdienst und Armee zwei in ihren Augen couragierten Journalisten Maulkörbe verpassen, weil sie es wagten, Verbrechen gegen geltendes Recht öffentlich zu machen. Und sie denkt, so kommt ihr mir nicht davon. Ihr glaubt, ihr habt das Leck gestopft? Ihr wisst ja gar nicht, wo es überall raustropft! Also geht sie eines schönen Tages im Juni 2010 hin, lädt Unmengen geheimen Datenmaterials des Schin Bet auf mehrere CD s und schmuggelt sie raus.«
»Und das ging so einfach?«
»Guck dir Bradley Manning an.«
Sicher, denkt Hagen.
Klar geht so was, du musst nur die Chuzpe haben.
Dennoch, nach der Erfahrung mit Anat Kamm –
»Sind alle viel vorsichtiger geworden.« Björklund nickt. »Und Weinstein quasselt viel zu viel, sie vertraut sich den falschen Leuten an, ein sogenannter Enthüllungsjournalist bekundet Interesse, und als sie ihn trifft, schnappt die Falle zu, denn der Journalist ist vom Schin Bet.«
»Autsch.«
»Womit die Daten dorthin zurückkehren, wo sie gestohlen wurden. Drei CD s mit Dokumenten von 2007 bis 2009.«
»Macht Sinn. Sie hat versucht, Kamms und Blaus Recherchen zu untermauern.«
»Ja, soweit macht es Sinn.«
Björklund schaut an Hagen vorbei die Frishman Street herunter. Einen Augenblick herrscht Stille. Hagen schlürft seinen Tee und genießt die Sonne auf seinem Gesicht. Er hat nicht die leiseste Ahnung, worauf Björklund hinauswill, aber es klingt mehr nach James Bond als nach Apocalypse now, und mit Apokalypse hat er es im Moment nicht so. Bond ist eindeutig besser, also hört er weiter aufmerksam zu.
»Was keinen Sinn macht, ist, dass sie dem angeblichen Journalisten im Vorfeld verspricht, ihm einen Teil des Materials zu übergeben.«
»Vielleicht war es ja nur ein Teil.«
»Nach ihrer Festnahme behauptet sie aber, es sei alles gewesen.«
»Und der Schin Bet glaubt ihr nicht.«
»Natürlich nicht. Aber sie können ihr auch nicht das Gegenteil beweisen. Schlummern da also noch irgendwo weitere CD s, mit deren Veröffentlichung sie drohen kann, sollten die Ankläger nicht einem Handel zustimmen?«
»Klingt unausgegoren.«
»Was ist schon ausgegoren. Vielleicht ist ihr die Idee ja in letzter Sekunde gekommen.«
»Ein bisschen was in der Hinterhand zu behalten?«
»Wer weiß, wozu es noch nütze ist.«
»Dann müsste sie einen Komplizen haben.«
»Treffer. Denn bei ihr finden sie nichts, sosehr sie auch suchen. Also checken sie Weinsteins Umfeld. Die Dame hängt bevorzugt mit ihresgleichen rum,
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