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die Araber sagen – der Strohhalm, der dem Kamel den Rücken brach.
Also machte er mobil, während Israel schlief, dahindämmernd im Vollrausch seiner Unbesiegbarkeit.
Kopfschmerzen vorprogrammiert.
6. Oktober 1973.
Jom Kippur, heiligster jüdischer Feiertag.
Das Leben steht still.
Eine Nation, wie in Aspik gegossen.
Stunden zuvor, als Ägypten und Syrien schon erkennbar Truppen verschieben, hat der militärische Nachrichtendienst die Sache noch runtergeredet. Keine Kriegsgefahr am Jom Kippur. Ebenso gut hätte er sagen können, kein Risiko, bei Hereinbrechen der Sintflut nasse Füße zu bekommen, aber man ist ein bisschen deaf, dumb and blind ( Tommy , The Who – dreht sich aktuell auf Uris Plattenteller: So macht jeder seine Erfahrung mit den Briten, früher hatten sie das Mandat für eine nationale jüdische Heimstätte in Palästina, heute haben sie das Mandat für Popmusik), und jedes Mal, wenn Jehuda die Zeile hört, scheint sie ihm die Sinnesverfassung des Staates Israel an jenem 6. Oktober exakt in Worte zu fassen. Das Gottvertrauen in die Streitkräfte ist von der Art, als müsse man nur gähnend mit den Fingern schnippen, und sie träten jedweden Feind in den Staub.
Doch heute tritt niemand irgendwen irgendwohin.
Heute legt Zahal die Beine hoch.
Also bitte, es ist Jom Kippur!
Und die Araber –
die wissen das
GANZ GENAU .
Gegen Mittag setzt die ägyptische Armee über den Suezkanal, dringt in den Sinai vor und erwischt Zahal in der Unterhose.
Schockstarre.
Der Himmel schwarz vor Helikoptern. Kampfflugzeuge, die den Verteidigungswall in Grund und Boden schießen, während zeitgleich syrische Panzerverbände und Fallschirmjäger die Golanhöhen einnehmen.
Panik, Konfusion.
Die Mobilmachung erfolgt holprig, dann kommt Zug in die Sache.Feiertags sind alle Reservisten zu Hause oder in der Synagoge, schnell auffindbar, sofort am Telefon, bin in fünf Minuten da, ein Umstand, der den arabischen Alliierten bei der Ausarbeitung ihres schönen Plans entgangen ist. Alle Straßen sind frei, die Militärtransporte kommen ungehindert durch. Arik, im militärischen Ruhestand, wird reaktiviert. Vor drei Monaten hat er die Brocken hingeschmissen, frustriert, dass sie ihn nicht zum Generalstabschef ernennen wollten, den Likud ins Leben gerufen, ein Mitte-Rechts-Bündnis konservativer Parteien, sein Heil in der Politik gesucht und sich staatstragend gegeben:
»Israel blickt nun ruhigen Jahren entgegen, was seine Sicherheit betrifft. Solange wir am Ufer des Suezkanals stationiert bleiben, haben die Ägypter keine Chance, einen Krieg zu gewinnen.«
Arik, diesmal voll daneben.
Jetzt sieht er sich in die Führung des Südkommandos berufen mit der Aufgabe, den ägyptischen Vormarsch zu stoppen, und, ganz ehrlich –
Es kommt ihm gelegen.
Den Popularitätsschub kann er gebrauchen.
Nicht, dass er zur Imageauffrischung einen Krieg herbeigesehnt hätte, Arik liebt den Krieg nicht.
Er ist nur einfach gut darin.
Gib ihm einen bewaffneten Konflikt, und er setzt sich in Bewegung mit der Erbarmungslosigkeit eines Dschingis Khan, der strategischen Intelligenz eines Sun Tsu und der Unverfrorenheit eines Odysseus. Und auch jetzt wirft er seine Nach-meinen-Regeln-oder-gar-nicht-Kriegsmaschinerie an, versetzt umgehend Divisionen in den Südsinai, missachtet Anweisungen, ignoriert Drohungen, ihn abzulösen, überrollt die gegnerischen Angriffslinien, kesselt die 3. Ägyptische Armee ein, überquert befehlswidrig den Suezkanal und rückt bis auf 120 Kilometer an Kairo heran.
Da steht er.
Ginge es nach ihm, er würde auch den letzten Schritt tun und Sadat mit dem Kopf nach unten aus dem Fenster halten.
Na, wenigstens hat er den Krieg gewonnen.
Am 24. Oktober vermitteln die UN einen Waffenstillstand.
Sieg für Israel.
Aber zu welchem Preis?
Mehr als zweieinhalbtausend Gefallene, fast 10 000 verwundet, Materialschäden in zigfacher Millionenhöhe – das soll noch die legendäre, unbesiegbare israelische Armee sein?
Zweifel gären.
Wir sind nicht unbesiegbar.
Es gibt keine garantierte Sicherheit.
Die Bedrohung ist permanent.
Der Heldenmythos vom wehrhaften Zionisten bröckelt. Die Überlebenden des Holocaust, die in Israel ein verschämt verschwiegenes Dasein fristen, Lämmer, die sich haben zur Schlachtbank führen lassen, Sabon , Seife, wie einige hier sie abfällig nennen, Schwächlinge und Versager, hatten sie vielleicht doch keine Wahl? Trennt uns am Ende nur die Illusion der Überlegenheit
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