Breed: Roman (German Edition)
Schritte.
»Los, Mom. Geh wieder in dein Zimmer.«
Leslie ist vornübergebeugt, richtet sich jedoch plötzlich zu ihrer vollen Größe auf. »Ich hab schon gehört, Adam«, sagt sie in ihrer normalen Stimme. »Und ich muss darauf bestehen, dass ihr eure …
Mutter
« – sie leckt sich das Blut von der Hand – »mit Respekt behandelt.«
Adam denkt an das kleine Messer aus der Pizzeria, das in seinem Rucksack steckt, wagt jedoch nicht, seine Schwester allein zu lassen. Er blickt sich im Raum nach etwas anderem um, was er als Waffe verwenden könnte. Schließlich hebt er eines der nassen Handtücher auf und wickelt es sich um die Faust, die er drohend schüttelt.
»Du gehst jetzt, ja? Du verschwindest.«
Leslie nickt, als wäre sie bereit, seinem Befehl zu gehorchen. Sie wendet sich der Tür zu, stürzt sich jedoch im letzten Augenblick auf Adam und hebt ihn so mühelos in die Höhe wie ein Blatt Papier. Das um seine Hüften geschlungene Handtuch rutscht herunter und fällt zu Boden, und angesichts seiner Nacktheit werden seine Arme und Beine starr vor Schreck, als seine Mutter ihn zu ihrem Mund hebt und sich leicht vorbeugt, als wollte sie einen großen Bissen Fleisch aus seinem Bauch reißen.
»Wie kannst du es wagen, mich zu behandeln wie … ein Tier. Ich bin deine Mutter. Du bist aus meinem Körper gekommen. Ich hab dir das Leben geschenkt. Das Leben! Du hast ja keine Ahnung, was für Opfer ich gebracht hab. Ich hab mich ruiniert. Wir beide haben das getan, dein Vater und ich. Wir haben alles gegeben, damit ihr leben könnt.«
Mit jedem Wort bringt sie den Mund Millimeter um Millimeter näher an sein nacktes, zartes Fleisch, und gerade, als es den Anschein hat, sie wollte die Zähne in ihn schlagen, hält sie inne, richtet sich wieder auf und stellt den zitternden Adam auf die Beine.
»Ich bin deine Mutter«, sagt sie, schluckt schwer und wischt sich mit dem Handrücken den Mund ab. »Ich hab dir das Leben geschenkt. Ich würde dir nie wehtun.«
Mit gespreizten Fingern berührt sie Adams Schultern.
»Ich nehme wohl lieber den Rest von diesen verfluchten Pillen«, sagt sie. Hin-und herschwankend, lächelt sie schwach. »Mutters kleine Helfer.«
Am nächsten Morgen haben die drei sich im Foyer versammelt, und Slavoj tritt Punkt neun Uhr durch die Tür. Er ist wie für ein Vorstellungsgespräch oder den Kirchgang gekleidet, graue Hosen und Blazer, dunkles Hemd mit breitem Kragen und dunkelgrüne Krawatte, deren Knoten so groß ist wie eine Avocado. Sein Haar ist zurückgegelt, er ist frisch rasiert, und er hat eine langstielige rote Rose in der Hand, die er Leslie reicht, was diese sehr verwirrt.
»Ihr Doktor hat verlassen Stadt, aber meine Schwester sagt, er ist in Idrija, also …« Er klatscht in die Hände und lächelt.
»Ist das weit?«, fragt Leslie. Sie blickt auf die Kinder, die gefasst aussehen, jedoch Abstand von ihr halten. Das kann sie ihnen nicht übel nehmen.
»Nichts in Slowenien ist weit«, sagt Slavoj.
Sie folgen Slavoj aus dem Hotel zu seinem Auto, das er in der Obhut des baumlangen Hotelportiers gelassen hat. Er öffnet Leslie und den Zwillingen die hintere Wagentür. Bevor er selbst einsteigt, plaudert er ein wenig mit dem Portier. Plötzlich wird das Gespräch ernst, was man am Tonfall und dem Gesichtsausdruck der beiden Männer sieht. Sie schütteln sich die Hände, dann läuft Slavoj zu seiner Tür und setzt sich hinters Lenkrad.
»Nach Idrija!«, ruft er fröhlich.
Als er den Wagen auf die Straße lenkt, geht der Portier ein wenig in die Knie und legt seinen großen Kopf schief, um durchs Fenster blicken zu können. Es ist keine Frage, dass er Leslie beäugt.
»Was haben Sie zu ihm gesagt?«, fragt Leslie.
»Ich hab danke gesagt, weil er hat bewacht mein Auto«, berichtet Slavoj vergnügt.
»Ach so«, murmelt Leslie und versinkt in ihrem Sitz.
Die Rückbank von Slavojs Renault reicht genau aus für die drei. Ihr einsamer kleiner Koffer liegt unter ihren Füßen; die Kinder behalten ihre Rucksäcke auf dem Schoß. Leslie sitzt in der Mitte, und beide Kinder halten die Knie geschlossen, um ihre Mutter nicht zu berühren. Die hält sich an ihrer Handtasche fest, in der sich die Pässe, ihr Portemonnaie und der kleine Umschlag voll loser Diamanten befinden. Sie hat eine Vision, dass sie diese einfach auf den Schreibtisch von Kiš schüttet. Soll er sie doch alle haben, was kommt es darauf an? Sie öffnet die Handtasche, holt den Umschlag heraus und steckt ihn in ihre
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