Breed: Roman (German Edition)
Allgemeinen über den tiefen Glanz, den die Schwangerschaft ihrem Haar verleiht, aber
nicht
, wenn Letzteres auf ihrem Bauch oder ihrem Handrücken wächst. Während die Wochen vergehen, sieht Leslie ihren Körper allmählich wie ein Land im Kriegszustand, eine Nation, die eine Provinz nach der anderen an eindringende Horden aus unerwünschtem Haar verliert. Früher hat Leslies Morgentoilette lediglich eine effiziente Viertelstunde in Anspruch genommen – eine kurze Dusche, ein flotter Lidstrich, ein wenig hingetupftes Rouge und eine rasche Salbung der Pulspunkte mit Parfüm. Nun braucht sie ein oder zwei Stunden, um sich für die Begegnung mit der Welt bereitzumachen, und wenn sie endlich, in tarnende Schals gehüllt, aus dem Badezimmer kommt, sind ihre Augen gerötet.
Alex beschließt, das Thema Haar gegenüber Jim Johnson anzuschneiden, der bei Bailey, Twisden, Kaufman & Chang gute Arbeit leistet, obwohl er auf derart unehrenhafte Weise in die Kanzlei gelangt ist. Zwei Wochen sind vergangen, seit das Problem von Leslies plötzlichem Pelzwuchs aufgetreten ist – so lange hat Alex gebraucht, um seinen Wunsch nach sozialer Distanz zu dem unsoliden und nervigen Jim Johnson zu unterdrücken. Als er durch die mit Glas und Mahagoni ausgekleideten Flure seiner Kanzlei zu Johnsons Büro gewandert ist, einer besseren Besenkammer in einem von ihm bisher kaum aufgesuchten Flügel des Gebäudes, teilt ihm eine Frau namens Betty Varrick, eine fünf untergeordneten Anwälten zuarbeitende Fachangestellte (und Sekretärin) mit, Mrs. Johnson habe ein Baby bekommen, und seither sei Mr. Johnson nicht im Büro gewesen.
»Und wann war das?«, fragt Alex.
»Ach, das ist schon drei Wochen her, Mr. Twisden.«
»Drei Wochen? Das ist ein wenig übertrieben, nicht wahr? Tun Sie mir bitte einen Gefallen, rufen Sie ihn an und stellen Sie den Anruf dann in mein Büro durch.«
Dieses Büro zeichnet sich durch einen weiten Blick über Midtown Manhattan und den Central Park aus und ist geschmückt mit einem antiken Perserteppich, Globen aus dem siebzehnten Jahrhundert und kleinen, von Samuel Fulton gemalten Ölbildern von Bulldoggen, die vielleicht keine große Kunst sind, auf Alex aber beruhigend wirken. Dort angelangt, beschäftigt er sich mit Routinearbeiten, während er auf das Gespräch mit Jim Johnson wartet. Sein edel beschuhter Fuß klopft unter dem Sheraton-Schreibtisch nervös auf den Boden.
Plötzlich schreckt ihn das Läuten seines Telefons auf. Einer seiner Mitarbeiter sagt ihm, Betty sei am Apparat, und er lässt sie durchstellen.
»Da nimmt niemand ab«, sagt Betty Varrick. »Ich habe eine Nachricht hinterlassen.«
»Haben Sie es auch auf seinem Mobilanschluss versucht?«
»Ja. Habe ich.«
»Und?«
Es entsteht eine kurze, unbehagliche Pause. »Die Nummer ist nicht mehr vergeben.«
»Nicht mehr vergeben?«
»Es tut mir leid.«
Alex sagt alle für den Vormittag vorgesehenen Termine ab und nimmt ein Taxi zur Wohnung der Johnsons an der Ecke Broadway und Ninety-Second Street. Sie befindet sich in einem großen, tristen Gebäude, fünf bis zehn Jahre alt, das zwischen einem Mobilfunkgeschäft und einer Videothek dreißig Stockwerke hoch in den Himmel ragt. Im Foyer, wo ein kläglich aussehender, älterer Portier residiert, der die Uniform eines wesentlich größeren Mannes zu tragen scheint, sind noch die Relikte der kürzlich vergangenen Feiertage zu sehen – ein großer, siebenarmiger Leuchter mit elektrischen Kerzen, bestehend aus plumpen, flammenförmigen Glühbirnen, ferner ein ausgedörrter Weihnachtsbaum, so gebrechlich und gebeugt wie eine alte Frau, und das Foto eines afroamerikanischen, extrem muskulösen Weihnachtsmannes, der eine Fellweste und rote Shorts trägt.
»Zu Mr. Johnson, bitte«, sagt Alex zu dem Portier, während er die Schneeflocken vom Kragen seines schwarzen Kaschmirmantels bürstet.
»Zu welchem? In diesem Haus wohnen vier Mr. Johnson.«
»James. Oder Jim.«
»Tja, eigentlich sind es nur drei«, sagt der Portier. »Diese Johnsons wohnen nämlich nicht mehr hier.«
»Was?« Die Stimme von Alex ist so scharf, als wollte er den Portier dazu bringen, seine Bemerkung zurückzunehmen.
»Sind umgezogen. Gerade sind ein paar Leute oben und versuchen, alles in Ordnung zu bringen. Sind Sie ein Freund von ihm?«
»Ja. Sozusagen. Eigentlich sein Arbeitgeber.«
Der Portier schüttelt den Kopf. »Vielleicht können Sie mir sagen, was zum Teufel mit diesem Mann passiert ist. Er war einer von den
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