Breed: Roman (German Edition)
nettesten Leuten in diesem Haus. Beide eigentlich, sie auch. So rücksichtsvoll, freundlich und großzügig, wie man es sich nur wünschen kann. Sehr großzügig. Ausgesprochen großzügige Leute.«
Für Portiers, Kellner und alle anderen Leute, die uns bedienen, sind wir buchstäblich nicht mehr als unser Trinkgeld
, denkt Alex.
Ein Umschlag voll Bargeld, eine Hand, die ihn übergibt, während alles andere verschwommen bleibt …
»Und dann sind sie einfach verschwunden«, sagt der Portier. Er reckt den Hals, späht durch die Glastür auf etwas, was er auf der Straße sieht, und wendet sich dann wieder Alex zu. »Sie waren drei Monate mit der Miete im Verzug, hab ich jedenfalls gehört.« Er legt den Kopf schief und schaut Alex an, als würde dieser als Johnsons Arbeitgeber eine gewisse Verantwortung für Jims finanzielle Schwierigkeiten tragen.
»Eine Nachsendeadresse hat er wohl nicht hinterlassen«, sagt Alex.
»Das tut man normalerweise nicht, wenn man mitten in der Nacht aufbricht. Sie haben überhaupt nichts mitgenommen. Nur ein paar Koffer – der Nachtportier meint, sie waren auf dem Weg zum Flughafen oder so. Teller und Bilder und Möbel und das ganze Zeug, das sie für das Baby besorgt hatten, haben sie einfach dagelassen – jedenfalls das, was davon übrig war.«
»Sie sagen, da oben sind irgendwelche Leute bei der Arbeit?«
»Wenn Sie die Wohnung gesehen hätten, dann wüssten Sie, weshalb.«
»Wäre es wohl möglich, dass ich raufgehe und mich ein wenig umschaue?«, fragt Alex und legt gleichzeitig zwei Fünfzigdollarscheine auf den falschen Marmor der Theke.
Der Portier glättet die Scheine, als würde er sie mit der Handfläche bügeln. Während er das Geld zusammenfaltet und einsteckt, sagt er: »Neunzehn C.«
Alex fährt hinauf zu Wohnung 19 C, in der vier Männer tätig sind. Sie reden und scherzen in Spanisch, während sie Möbel zur Tür der Vierzimmerwohnung zerren. Der gesamte Boden ist mit beigefarbenem Teppichboden belegt, der zerrissen, befleckt und – man kann es nicht anders beschreiben –
zerkaut
ist, als hätten die Johnsons hier wilde Tiere gehalten. Die Wände sind mit tiefen Kratzern übersät, und da und dort sind Löcher in den Putz geschlagen. Die Möbel, die von den Arbeitern entsorgt werden, sind völlig zertrümmert. Armsessel ohne Arme, geflochtene Stühle ohne Geflecht, auf das Sofa hat man als Ersatz für fehlende Polster kleine Kopfkissen gelegt, die mit ihren eigenen Federn bedeckt sind. Dieses ganze Chaos ist jedoch nichts gegen die Fäule, die hier herrscht. Was ist das für ein Geruch? Verrottetes Fleisch? Menschliche Fäkalien? Kochgas? Furcht der extremsten, zitternden, niederdrückenden Art? Oder ist es eine Kombination all dieser Dinge, eine grässliche Bouillabaisse von allem, was widerwärtig ist, die Tagessuppe der Hölle?
Die Arbeiter haben sich inzwischen an den schrecklichen Gestank gewöhnt; ihre Schutzmasken baumeln an ihren Stoffbändern herab. Sie werfen Alex bei der Arbeit kurze Blicke zu, vielleicht meinen sie, er habe irgendeine offizielle Funktion in dem Gebäude. Er hält sich die Hand vor Nase und Mund, während er von Raum zu Raum wandert, in der Hoffnung, Rückschlüsse darauf zu finden, was aus den Johnsons geworden ist. Als er die kleine, funktionelle Küche betritt, knirschen die Scherben zerbrochener Teller und Gläser unter den Ledersohlen seiner eleganten Schnürschuhe. Etwas bang öffnet er den Kühlschrank, und der Gestank bricht über ihn herein wie eine gewaltige Welle aus dem aufgewühlten Meer. Alex gerät ins Taumeln. Instinktiv will er die Tür wieder zuschlagen, doch er zwingt sich, in den Kühlschrank zu schauen, und was er da sieht, ist noch verstörender und ekelhafter als der Geruch: Druckverschlussbeutel mit Nagetieren – Mäusen, Ratten, Eichhörnchen und ein paar fleischigen, karamellfarbenen Hamstern – sind aufeinandergestapelt. Trotz der Kunststoffhüllen und der Kühlung befindet sich der Inhalt in unterschiedlichen Zuständen der Verwesung.
Alex schlägt die Tür zu und taumelt zurück, wobei er auf den rutschigen Scherben fast den Halt verliert. Drei der Arbeiter haben begonnen, die Möbel aus der Wohnung zu schaffen, während der vierte auf den Knien liegt und sich daranmacht, die Reste des Teppichbodens wegzureißen. Er sieht Alex an, schaut jedoch rasch weg, als der seinen Blick erwidert.
Alex geht in den Raum, der einmal das Schlafzimmer der Johnsons gewesen ist. Tropfsteinförmige Flecken verleihen
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