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Breed: Roman (German Edition)

Breed: Roman (German Edition)

Titel: Breed: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chase Novak
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…«
    »Es gibt doch bestimmt massenhaft schwule Lehrer in New York, Michael«, sagt Xavier. Er dreht das heiße Wasser aus und trocknet sich die Hände an einem Geschirrtuch ab. »Wieso bist du in deiner Schule denn so nervös?«
    »Aus sehr guten Gründen, Xavy, und die kennst du auch. Angefangen mit einem Direktor, der was gegen Schwule hat.« Michael fängt das Handtuch auf, das Xavier ihm an den Kopf geworfen hat, verwendet es, um ein paar imaginäre Brotkrumen an seinem Mundwinkel abzutupfen, und wirft es zurück.
    Während das Handtuch durch die Luft fliegt, meldet sich der Summer an der Wohnungstür, ein schnarrendes, durchdringendes Geräusch, das die beiden Männer »Penetrator« getauft haben.
    »Wer ist das?«, fragt Xavier einigermaßen irritiert.
    Der Summer gibt erneut sein graues bohrendes Geräusch von sich. Michael schiebt seinen Stuhl zurück und steht auf, um zu antworten. Er drückt auf die Taste der beigefarbenen Sprechanlage neben der Tür, worauf der Portier, ein älterer Ire namens James, mit seiner belegten Stimme verkündet, Adam Twisden-Kramer sei im Foyer und wolle hochkommen.
    Adam Twisden-Kramer? Dieser Besuch ist so unerwartet, dass Michael einen Moment keine Verbindung zwischen dem Namen und irgendjemandem herstellen kann, den er kennt. Aber dann: natürlich. Adam. Adam ist weder der beste noch der schlechteste von Michaels Schülern, doch er empfindet eine besondere Zuneigung zu ihm, weil er in Adams niedergeschlagenem Blick und seiner leisen Stimme sich selbst im Alter von zehn Jahren erkennt, als sein Körper und sein Geist ihm über das erträgliche Maß hinaus peinlich gewesen sind. Natürlich war da die Sache mit der Ohnmacht … als der Junge mitten im Unterricht mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden geknallt ist. Michael ist zu ihm geeilt und hat ihn in die Arme genommen. Als Adam wieder zu Bewusstsein kam, hat er die Augen geöffnet und gesehen, dass er in den Armen seines Lehrers lag, und einen Moment lang hat in seinen weit geöffneten Augen Furcht geflackert, fast sogleich gefolgt von einer Art allumfassender Friedlichkeit. Adam war wie ein junger Seemann, der vom Deck seines Schiffs gespült wird und augenblicklich lernt, dass das Meer ihn nicht verschlingen, sondern tragen wird. Er hat seine Augen geschlossen und einen tiefen, erleichterten Seufzer ausgestoßen.
    Der Junge hat immer eine Befangenheit an sich gehabt, eine Melancholie, durch die er Michael fasziniert hat, und obwohl er nie um etwas Besonderes gebeten oder mit Michael mehr als ein flüchtiges Gespräch geführt hat, spürt dieser seit Monaten, dass der Junge eine Verbindung zu ihm aufnehmen will und Rat sucht, vielleicht auch Trost. Er ist fast immer der erste Schüler, der in die Klasse kommt, und er verlässt sie immer als Letzter, und obgleich seine Noten nur minimal besser als der Durchschnitt und seine Aufsätze voller Rechtschreibfehler und grammatischer Irrtümer sind, obwohl diese Aufsätze kaum mehr tun, als die Bemerkungen nachzuplappern, die Michael im Unterricht gemacht hat, ist die Mühe, die Adam sich gibt, nicht nur spürbar, sondern auch liebenswert. Wenn man diese Mühe bewerten könnte, dann wäre Adam ein ausgezeichneter Schüler.
    Dennoch ist es merkwürdig, dass er plötzlich hier aufgetaucht ist. Obwohl Michaels Adresse keineswegs ein Staatsgeheimnis ist, muss Adam allerhand Aufwand getrieben haben, um sie herauszufinden. Und obwohl in den Regeln der Schule nichts steht, was einem Schüler ausdrücklich verbieten würde, einen Lehrer nach der Schule aufzusuchen, ist das einfach etwas, was man nicht
tut
. Offen gesagt, weicht das so stark von der in der Schule herrschenden Atmosphäre ab, wie wenn man in ihren Fluren pfeifen, in der Nase bohren oder auch offen schwul sein würde.
    »Schicken Sie ihn rauf«, sagt Michael in die Sprechanlage, doch sobald er das sagt, kommt es ihm wie ein Fehler vor. Vielleicht hätte er ins Foyer hinunterfahren und sich anhören sollen, was Adam will; ihn heraufkommen zu lassen, ist ein gefährlicher Präzedenzfall, und – schlimmer noch – es wird das Gerücht über Michaels Homosexualität in eine erwiesene Tatsache verwandeln. Niemand, der sieht, dass Xavier und er sich diese kleine Wohnung teilen, kann auch nur den leisesten Zweifel bezüglich ihrer Beziehung haben, niemand – kein Kind, keine Großmutter, kein Besucher aus dem Weltall, niemand.
     
    Schneller, schneller, schneller schneller schneller – Haken schlagen, Abkürzungen nehmen,

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