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Breed: Roman (German Edition)

Breed: Roman (German Edition)

Titel: Breed: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chase Novak
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bleibt stehen, dreht sich nach ihr um. Sie begreift: Es will, dass sie ihm folgt. Als sie hinter dem Busch hervorgekrochen ist, hat sich das Hündchen schon sechs Meter von ihr entfernt. Sie denkt an all die Hunde, groß und klein, die durch ihr Elternhaus gekommen sind. Dass sie sich gegen den Kummer darüber unempfindlich gemacht hat, stellt sie sich wie Schorf über einer Wunde vor, wie eine gusseiserne Kruste, die nicht zulässt, dass dieser Teil des Körpers je wieder blutet.
    Das weiße Hündchen hat gespürt, dass sie ihre Schritte verlangsamt hat. Es bleibt stehen, blickt sie über die Schulter hinweg an und läuft wieder los. Alice folgt ihm auf einem gewundenen Weg, der hierhin und dahin führt, immer tiefer in die Dunkelheit des Parks hinein.
     
    Xavier hört das Geräusch des steifen Besens seiner Mutter, die unablässig den Boden der Wohnung in der Avenida Máximo Gómez fegt.
Hör auf, hör auf, das wird doch nicht sauber
, will er sie anbrüllen, doch er ist irgendwo – wo? –, und seine Augen sind geschlossen, so fest zugeschraubt, dass er sie nicht öffnen kann, sosehr er das auch versucht. Dieses Fegen, dieses infernalische, wahnsinnige Fegen scheint von allen Seiten her auf ihn einzudringen.
    Por favor
, flüstert er seiner Mutter zu, doch das hört sie offenbar nicht, denn das Fegen wird nur schneller und lauter. Jetzt kommt es ihm vor, als hätte sie einen zweiten Besen in die Hand genommen, um irgendwie doppelt zu fegen – nein! Dreifach! Wie viele Besen kann die Frau denn handhaben? Und welche Art Besen – welche Art Mutter – würde ihm einen derart fauligen Windhauch ins Gesicht blasen? Blind versucht er, sie zurückzuschieben, und spürt die Feuchte ihres dämonisch offenen Mundes. Ist sie gekommen, um ihn zu verschlingen? In der irren Logik seines fiebrigen Zustands ist das nicht unvorstellbar, obwohl es immer Xaviers Vater war, der nichts von ihm gehalten hat, während er von seiner Mutter geliebt und beschützt wurde.
    Er riecht Scheiße. Hat er sich in die Hosen gemacht? Ist das der Grund, weshalb seine Mutter ihn wegfegt, aus ihrem Leben hinaus auf die harte Straße?
    Endlich gehen seine Augen auf, doch das ist so, als hätte er eine Dunkelheit gegen eine andere eingetauscht. Allmählich hellt diese zweite Dunkelheit sich allerdings ein wenig auf. Sie ist nicht mehr pechschwarz, sondern ein tiefes, tristes Grau. Durch diese Düsternis dringt der fragende Blick roter Augen, die ihn anstarren. Das Geräusch des Fegens entpuppt sich als Hecheln. Ein Tier.
    Ein Erinnerungsblitz: Die auf den Kopf gestellte Welt strömt vorbei, während er die Straße entlanggetragen wird …
    Mühsam stemmt er sich in eine sitzende Position hoch, weicht zurück und spürt das kalte Gitter des Käfigs, in den man ihn eingesperrt hat. Bei ihm sind acht Hunde, manche groß, manche klein, seine Gefährten in der Gefangenschaft. Angstvoll versucht er, noch weiter zurückzuweichen, und drückt sich an den Maschendraht. Er spürt, wie eine seiner Handflächen etwas Weiches an den Boden drückt, während unter der anderen etwas Brockiges, Hartes ist: Scheiße und trockenes Hundefutter. Hechelnd, schwanzwedelnd, winselnd kommen die Hunde näher. Xavier hat nie einen Hund besessen und nie einen gewollt, eigentlich mag er Hunde weder, noch versteht er sie, aber eines ist klar: Diese armen, gefangenen Dinger suchen Hilfe.
    »He, was soll das! Hilfe. Ist da niemand? Bin hier unten!« Xavier ruft mit der geringen Kraft, die er aufbringt – durch die Anstrengung schießt Schmerz in jeder möglichen Richtung durch seinen Körper. Außerdem nützt es überhaupt nichts. Er spürt die Mattigkeit seiner Rufe. Dieser Ort, wo immer er sich befindet, ist perfekt schallisoliert – Schaumstoff, schallschluckende Vorhänge, Akustikplatten. Hier unten um Hilfe zu rufen, ist so, als würde man sich in den Schlaf weinen, das Gesicht ins Kissen gepresst.
     
    Das weiße Hündchen ist verschwunden, und es ist, als wäre Alice’ Welt leer – da ist niemand, dem sie folgen könnte, kein Ort, der ihr Zuflucht böte, und eine niederschmetternde Einsamkeit überkommt sie, so schwer und real wie Regen. Sie bleibt stehen, hört etwas … Sie zwingt sich, nicht mehr zu keuchen, damit sie besser lauschen kann – eine Art rollendes, rumpelndes, knirschendes Geräusch. Ein Stück weit entfernt nutzen Skateboarder die steinernen Stufen der zum Bethesda-Brunnen führenden Treppe, um ihre Tricks zu üben. Auch die Seiten der Parkbänke und

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