Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Breed: Roman (German Edition)

Breed: Roman (German Edition)

Titel: Breed: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chase Novak
Vom Netzwerk:
begreifen, was Fleming sagt und andeutet, ja er scheint nicht einmal dessen Stimme zu hören. Er umklammert Michael nur noch fester.
    Michael tätschelt dem Jungen den Kopf. Das Haar fühlt sich halb gefroren an, dick und ein wenig ölig. Als Adam die Berührung spürt, blickt er auf. Seine Augen sind wild und verängstigt.
    »Tag«, sagt der Junge mit unsicher flatternder Stimme.
    »Kommt ihr zur Schule?«, fragt Michael.
    Adam schüttelt den Kopf. Alice tritt zögernd etwas näher.
    »Man sucht nach euch, Adam«, mischt Fleming sich ein. »Eure Eltern machen sich furchtbare Sorgen. Wir alle tun das. Wo seid ihr nur gewesen?« Während er das fragt, greift er nach Adam und nimmt ihn beim Arm. Aber Adam reißt sich gleich wieder los.
    »Lassen Sie ihn in Ruhe«, sagt Alice. Es ist kaum zu glauben, dass eine solche Stimme – ernst, harsch und bedrohlich – aus diesem schlanken kleinen Mädchen kommt, das zitternd auf dem Gehweg steht.
    Fleming wird davon einen Moment lang aus dem Konzept gebracht, hat sich jedoch gleich wieder in der Gewalt. Er hebt einen Finger und richtet ihn langsam auf Alice, eine Geste, die während seiner Laufbahn als Lehrer wahrscheinlich viele Zehnjährige gefügig gemacht hat, die jedoch an diesem kalten Morgen keinerlei Wirkung bei Alice erzielt.
    »Wenn ich bloß erwachsen wäre«, flüstert Adam Michael zu.
    »So toll, wie du meinst, ist das auch nicht«, sagt Michael zu dem Jungen und streicht ihm übers Haar. Dann stutzt er plötzlich: Was werden die Leute denken, wenn sie sehen, wie er diesen wunderschönen, zehnjährigen Jungen streichelt? Was werden sie davon halten? Was werden sie annehmen? Welche ängstlichen, hasserfüllten Gedanken werden sich in ihrem Kopf bilden? Wie kommt es, dass es den Heteros mit ihrer langen Geschichte der Brutalität gegenüber Kindern (die Bereitschaft Abrahams, Gottes blutigen Auftrag auszuführen, war nur der Anfang!), mit ihrer Gewohnheit, Kinder zu vergewaltigen, auszubeuten, abzuschlachten und verhungern zu lassen – wie kommt es, dass es ihnen gelungen ist, schwulen Menschen die Neigung anzudichten, Kindern Schaden zuzufügen? Scheiß drauf. Er legt den Arm um den Jungen.
    Doch Adam wehrt ihn ab. Er sieht etwas. Und Alice sieht es auch.
    »Ihr beide werdet jetzt hereinkommen, damit wir eure Eltern anrufen …«, sagt Fleming.
    Michael ist den angstvollen Blicken der Zwillinge gefolgt und sieht nun, was sie sehen – Alex Twisden, der mit hochgezogenen Schultern, eingezogenem Kopf und in die Taschen seines langen Ledermantels geschobenen Händen des Weges kommt. Er nähert sich rasch der Schule, und alle, an denen er auf dem Gehweg vorbeikommt, treten schleunigst beiseite. Es ist offenkundig nicht ratsam, diesem finster blickenden Mann, in dem Zorn und Energie zu kochen scheinen, in die Quere zu kommen.
    Fleming spürt, dass die Zwillinge gleich Reißaus nehmen werden, und er ist geistesgegenwärtig genug, Adam am Handgelenk und Alice am Aufschlag ihrer Jacke zu packen. Das ist, wie unter Wasser eine Forelle zu ergreifen oder in der Wildnis ein Kaninchen in die Hände zu bekommen, denn obwohl das gefangene Geschöpf so klein wirkt, ist man in keiner Weise darauf vorbereitet, welche Kraft und welchen Willen es aufbringen kann, um dem Griff zu entkommen. Dieser reine Wille ist weder von Manieren noch irgendeiner Hoffnung, man werde Gnade walten lassen, domestiziert.
    Adam gibt ein Geräusch von sich – es ist wie ein rasches Ausatmen mit einem gutturalen Unterton – und entwindet sich Fleming, während Alice den Kopf neigt, kurz an Flemings Hand schnüffelt und dann hineinbeißt, nicht so stark, dass es blutet, aber doch kraftvoll genug, um ihn dazu zu zwingen, sie loszulassen.
    »He!«, ist alles, was Fleming herausbringt. Als die Zwillinge sich an der Hand fassen und in westlicher Richtung davonrennen, brüllt er ihnen hinterher: »Ihr seid vorläufig vom Unterricht ausgeschlossen!« Finster dreht er sich dann zu Michael um, als wäre der auch an dieser Wendung der Ereignisse schuld.
    Michael wirft seinen Kaffeebecher in den nächsten Mülleimer und läuft hinter den Zwillingen her – warum, weiß er selbst nicht. Vielleicht, um sie zurückzuholen, vielleicht, um zu erfahren, wieso schon der Anblick ihres Vaters – ohne auf den Verkehr zu achten, überquert Twisden inzwischen diagonal die Straße – Adam und Alice dazu bringt, um ihr Leben zu rennen.
    »Bringen Sie sie zurück!«, ruft Fleming Michael hinterher. »Bringen Sie sie sofort

Weitere Kostenlose Bücher