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Breed: Roman (German Edition)

Breed: Roman (German Edition)

Titel: Breed: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chase Novak
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hierher zurück!«
    Fleming beobachtet, wie Michael hinter den beiden Kindern herläuft. Die sind jetzt stehengeblieben – sie sehen ihn kommen. Adam streckt beide Hände nach seinem Lehrer aus, als wäre er auf einem Schiff, das gerade vom Pier abgelegt hat, während Michael, der einen Moment zu spät gekommen ist, nun über das eiskalte Wasser springen muss, um an Bord zu gelangen.
    Plötzlich spürt Fleming einen kräftigen Schlag gegen seine Schulter und muss sich am Zaun festhalten, um nicht den Halt zu verlieren und auf den Gehweg zu fallen.
    »Sie Idiot«, sagt Twisden mit zusammengebissenen Zähnen. »Sie hatten die beiden in den Händen!« Ohne ein weiteres Wort stürmt er an Fleming vorbei, dreißig, vielleicht auch vierzig Meter von den Zwillingen und Michael entfernt. »Kinder!«, ruft er. »Kommt zurück! Kinder? Kommt schon. Bitte. Ich werde euch nicht …« Er schluckt die Worte
wehtun
herunter, und in der vorübergehenden Stille füllt sein Mund sich mit dem imaginären Geschmack von Blut. Seine Hand fährt an seine Kehle, und er atmet tief und zitternd ein.
O nein, nein nein nein
, denkt er.
Bitte lass das nicht geschehen.
    Ohne es wahrzunehmen, ist Alex auf die Straße getreten, und sein Moment der Reue wird jäh von dem stumpfen, brutalen Ton einer Autohupe unterbrochen. Wenige Zentimeter von ihm entfernt hat mit quietschenden Reifen ein Taxi angehalten, und der Fahrer, ein junger, dunkelhäutiger Mann mit einer kleinen runden Brille und einem Pferdeschwanz, drückt wütend auf die Hupe.
    Alex geht auf die Fahrerseite und öffnet die Tür. Der Fahrer greift nach dem Polizeiknüppel, den er genau für solche Gelegenheiten zwischen seinem Sitz und der Tür eingeklemmt hat. Er hebt den Knüppel, um nach Alex zu schlagen, doch der stoppt die Waffe mitten im Schlag ab, entreißt sie dem Fahrer und schleudert sie über die Straße, wo sie unter einem parkenden Lieferwagen verschwindet.
    »Dieses Gehupe tut mir in den Ohren weh«, erklärt Alex dem Fahrer, bevor er hinter seinen Kindern herläuft, zuerst mit leichten Sätzen und dann immer schneller. Im Laufen zieht er sein Handy aus der Tasche und ruft Leslie an.
     
    Leslie ist fort – sobald sie den Anruf von Alex erhalten und erfahren hat, dass er Alice und Adam aufspüren konnte, hat sie ihren Mantel gepackt und ist davongerannt. Wieder allein im Haus, sitzt Cynthia auf einem auseinanderfallenden Sofa vor dem offenen, gefliesten Kamin, hinter dessen Risse Straßen für die zahllosen Ratten verlaufen, die in diesen Wänden leben. Dort sitzt sie reglos seit – wer weiß, wie lange schon? Sie befindet sich in einem Schockzustand, in dem sie versucht zu begreifen, was mit ihrer Schwester geschehen ist, während sie sich gleichzeitig verzweifelt bemüht, alles aus ihren Gedanken zu verbannen. Der Konflikt zwischen diesen zwei widersprüchlichen Impulsen hat Cynthias Kopf mit einem schwärmenden, zusammenhanglosen Chaos gefüllt, das sich anhört wie das Summen eines Bienenstocks. Sie presst die Hände auf die Ohren, doch das Dröhnen ihrer Verwirrung wird dadurch nur noch lauter und aufdringlicher.
    Und nun steigt auch noch der jämmerliche Aufruhr tief unten im Haus durch die Böden wie Modergeruch. Cynthia erhebt sich vom Sofa, legt den Kopf schief und lauscht. Sie hört ein hohes, hoffnungsloses Jaulen, das wohl von einem kleinen Hund stammt, das Wimmern von Welpen und das tiefe, erschöpfte Bellen eines großen Hundes. Der Schlüssel! Ganz plötzlich erinnert sie sich daran, steckt die Hand in die Tasche – und da ist er. Sie spürt seinen scharfen, gezackten Bart, und seine stählerne Kälte beschleunigt irgendwie ihren Herzschlag. Sie zieht den Schlüssel heraus, schließt fest die Hand darum und fragt sich, ob sie wohl in Ohnmacht fallen wird.
    Doch ihre Furcht ist nicht so groß wie ihr Wille zu überleben, und sie hält sich an ihrem Bewusstsein fest, weil sie spürt, dass alles verloren ist, wenn sie der lockenden inneren Dunkelheit nachgibt. Langsam und überlegt, mit jeder Faser ihrer Selbstbeherrschung, zwingt Cynthia sich auf die Treppe und steigt zur verschlossenen Kellertür hinab. Als sie die Hand öffnet, um den Schlüssel zu betrachten, sieht es so aus, als wäre seine Form in ihre Handfläche gebrannt, so fest hat sie ihn umklammert.
    Die Tiere unten spüren Cynthias Anwesenheit – zuerst verstummen sie, als hätte die Erfahrung sie gelehrt, dass sich nähernde menschliche Schritte manchmal Futter und Aufmerksamkeit bringen

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