Breit - Mein Leben als Kiffer
mich wieder auf
Wolke dreiundzwanzig zu heben.
Ich rufe Florian an, um mit ihm gemeinsam
eine neue Quelle ausfindig zu machen. Wir sind
fest entschlossen, nicht mit leeren Händen von
den Straßen zurückzukommen, selbst wenn wir
bei den Leuten in der Schanze oder am
Hauptbahnhof enden. Wir haben zwar keine
Entzugserscheinungen, sind aber superheiß
aufs Kiffen. Heiß genug, um ohne genaues Ziel
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auf Drogensuche zu gehen. Zuerst probieren
wir es in Altona in mehreren Headshops. Durch
Zufall gerät Florian an einen Libanesen, der uns
weiterhelfen möchte. Wir sollen mit ihm in
seine Wohnung kommen und könnten dort was
kaufen. Florian geht mit ihm mit, während ich
bei den Fahrrädern warte. Nach einer halben
Stunde kommt er zurück – ohne Weed.
«Das war der derbste Scheißkurs, Mann.
Außerdem war das Zeug trocken wie Heu. Das
war ’ne faule Nummer. Hier, ich hab’ für fünf
Euro was gekauft, das Zeug kannste echt zum
Blumendüngen benutzen.»
Wir fahren weiter Richtung Innenstadt zu
einer Bar, von der Florian gehört hat, dass sie
ein Coffeeshop sein soll. Als wir in der Nähe des
Gänsemarkts bei dem Schuppen ankommen,
kriegen wir einen Schrecken: Die Polizei ist dort
gerade zugange und versiegelt den Laden. Wir
haben die Show verpasst. Die Dealer sind alle
schon abgeführt oder abgehauen. Florian und
ich sind aufgeschmissen.
«Dann müssen wir eben in den Schanzenpark
fahren, dort bekommen wir vielleicht noch bei
einem der Afrikaner was», schlägt Florian vor.
«Nee, Mann, lass uns mal lieber was ganz
anderes auschecken. Wie wär’s mit dem
Hauptbahnhof?», frage ich Florian.
«Am Hauptbahnhof geht drogenmäßig auf
jeden Fall was. Da geht doch immer was.»
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Die Sache ist geritzt, und wir fahren runter in
Richtung Bahnhof. Erneut habe ich dieses
kribbelige Gefühl in der Brust, endlich erlebe ich
mal wieder was Spannendes. Wir wagen uns in
den Untergrund.
An einem der Nebenausgänge hüstelt uns ein
kleiner Araber fragend «Haschisch?» zu, als wir
an ihm vorbeigehen.
«Wollt ihr?»
Auf der Treppe gegenüber setzt sich gerade
ein Junkie seinen Schuss.
«Ja, wir wollen.»
«Wie viel?»
«Zwanzig», sagt Florian, aber ich halte ihn
am Arm fest und sage: «Lieber dreißig!»
Der Araber nickt uns zu und führt uns zu
seinem Kollegen, der mehrere Stangen
Haschisch dabeihat und von einer etwas
abbricht. Ich versuche noch ein bisschen zu
handeln, und er bricht ein weiteres kleines
Stück für uns ab.
«Hoffentlich werden wir nicht erwischt», sage
ich zu Florian, nachdem der Deal erfolgreich
über die Bühne gegangen ist.
«Laber keinen Scheiß, wir werden schon
nicht erwischt, hat doch keiner gesehen.»
Da erscheinen plötzlich zwei Polizisten auf
der Bildfläche, die direkt auf uns zusteuern. Uns
beiden rutscht das Herz in die Hose. Doch wir
haben Glück. Im letzten Moment drehen die
Beamten ab. Sicherlich waren sie hinter einem
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Taschendieb her. Florian und ich haben es
geschafft. Wir sind wieder an Drogen
gekommen. Genug für die nächste Woche.
Schweigend fahren wir auf unseren
Fahrrädern in meine Richtung. Ich erlebe
wieder dieses unglaubliche Gefühl des zeitlichen
Stillstands. Alle Vergangenheit scheint mir im
Moment gegenwärtig. Das Leben, das ich in
letzter Zeit geführt habe, zieht an meinem
inneren Auge vorbei: Es kommt mir wie ein
mystischer Film vor, voller Zufälle,
Besonderheiten und Abenteuer. Während
Florian und ich Fahrrad fahren, sehe ich mir alle
Nummernschilder der parkenden Autos an und
suche einen magischen Zusammenhang
zwischen ihnen.
Ein ganz normales Hobby von Kiffern.
Solange man sich kein Gedankengebäude aus
den eigenen verkifften Ideen schmiedet, ist
alles im grünen Bereich. Es macht mir Spaß,
über Geheimnisvolles und Phantastisches
nachzudenken – und Verschwörungen gehören
auf jeden Fall dazu. Mit meiner Großtante Erika
rede ich oft über Zufälle und unfassbare
Wunder der Welt: Über schwebende Yogis,
reinkarnierte Weise, Medien und über Jesus.
Das Mysteriöse und Übersinnliche hat mich
schon damals, als ich keine Folge von Akte X
verpassen wollte, in den Bann gezogen.
Manchmal stelle ich mir vor, dass wir alle, ohne
es zu wissen, auf einer tiefen
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Bewusstseinsebene miteinander verbunden
sind.
Meine Großtante hat immer gerne von dem
«alles umfassenden Bewusstsein» und der über
allen Religionen stehenden Wahrheit
gesprochen.
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