Brenda Joyce
war genauso wütend wie er. Und sie wagte nicht, an die
Leidenschaft zu denken, die sie am Abend zuvor in seinen Armen erlebt hatte.
Stattdessen erinnerte sie sich daran, wie sehr er sie verletzt hatte, indem er
erklärte, er begehrte sie nur wegen der Enthaltsamkeit, die er auf seiner Seereise
hatte ertragen müssen.
Sie fragte
sich, ob es ihm Spaß machte, sie zu verletzen.
»Geht es
Ihnen gut, Madame?«, fragte Matilda.
»Ich bin
müde, das ist alles«, brachte sie heraus und lächelte matt.
»Lassen wir
Mrs de Warenne ein wenig ausruhen«, befand Matilda. Sie sagte Elysse noch
einmal, dass sich Sandwiches und gekühlter Tee auf dem Tablett befanden, dann
ging sie zusammen mit der französischen Zofe hinaus.
Elysse
stand auf und begann, im Raum hin und her zu gehen. Sie sollte etwas essen –
sie verlor ständig an Gewicht –, aber sie hatte keinen Appetit. Sie machte sich
zu viele Sorgen um das, was geschehen würde, wenn Alexi nach Hause kam. Sie
fragte sich, wo er wohl sein mochte – und mit wem er zusammen war.
Sie hielt
sich die Hände vor das Gesicht. Was, wenn Alexi mit Jane Goodman unterwegs war?
Am Nachmittag hatte sie mehrere Besucher abgewiesen und Matilda gebeten, ihnen
zu erklären, dass sie gerade im Begriff stand, in das neue Haus ihres Gemahls
einzuziehen. Sie hoffte, das würde jeden Klatsch darüber ersticken, wie Alexi
sie am Vortag gezwungen hatte, Windsong Shipping zu verlassen. Aber wenn er mit
einer anderen Frau ausging, dann würde das die Klatschmäuler wieder anregen.
Es war ein
niemals endender Kampf um ihren Stolz. Und es war alles seine Schuld.
Sie hatte
es so satt, stets gegen den Tratsch zu kämpfen! Wenn er mit einer anderen Frau
zusammen sein wollte, dann, so entschied sie, sollte er sich diskret verhalten.
Er musste damit aufhören, seine Affären vor den Augen der ganzen Welt
stattfinden zu lassen.
Abrupt
stand sie auf, ging zu der Tür, die zum Wohnraum führte, öffnete sie und
schritt hindurch. An der Schwelle zu seinem Schlafzimmer blieb sie stehen und
starrte auf sein Bett.
Er würde
die Rolle des guten Ehemannes spielen müssen. Sie erschauerte bei diesem
Gedanken. Sechs Jahre lang hatte sie allen Leuten erzählt, wie wunderbar er war
– wie wunderbar ihre Ehe war. Nun würde er so tun müssen, als führten sie
tatsächlich eine glückliche Ehe. Als würde er ihre Gesellschaft genießen. Er
würde sie ein paar Wochen lang ausführen müssen. Danach würde es niemanden
mehr kümmern, wenn sie getrennte Wege gingen.
Hinter
verschlossenen Türen konnte er machen, was er wollte – ohne sie.
Elysse wich
von seiner Tür zurück. Nun wusste sie, was sie tun würde. Aber wie um alles in
der Welt sollte sie Alexi dazu bringen, den hingebungsvollen Ehemann zu
spielen, selbst wenn es nur in der Öffentlichkeit war? Sie hatte schon mit
Zähnen und Klauen kämpfen müssen, damit er sie einziehen ließ. Wie sie Ariella
schon gesagt hatte – sie brauchte ein Druckmittel.
Zurück in
ihrem eigenen Schlafraum schloss sie beide Türen und schenkte sich ein Glas von
dem kühlen Tee ein. Dann setzte sie sich hin und versuchte zu entscheiden, wie
sie ihn am besten dazu überreden konnte, sich angemessen zu benehmen.
Und dann
dachte sie an Blair.
Sie
lächelte, als sie begriff, dass sie jedes Druckmittel besaß, das sie brauchte,
um Alexi de Warenne zur Räson zu bringen.
Sie hatte nicht schlafen können. Wie es
ihre Gewohnheit war, hatte sie daher ein kleines Licht angezündet und es sich
in dem Stuhl am Kamin bequem gemacht, um die Zeitung zu lesen. Alexis Rekordfahrt
aus China hatte es bis auf die Titelseite der London Times geschafft. Aber der
Artikel hatte sie nicht müde gemacht, also hatte sie noch einen weiteren
gelesen, im dem es um ein absonderliches Gesetz ging. Dieses Thema war so
entsetzlich langweilig, dass ihr die Buchstaben vor den Augen verschwammen,
doch sie war immer noch hellwach und dachte daran, wie berüchtigt er war und
wie berühmt.
Es war erst
Mitternacht. Elysse nahm eine schwere Biografie über Queen Elizabeth zur Hand
und vertiefte sich so sehr darin, dass sie darüber ihren Wunsch zu schlafen
vergaß. Ihr war nicht bewusst gewesen, dass der Plan, die Routen in den Fernen
Osten zu
erkunden, zum ersten Mal zu einer Zeit aufgetaucht war, als England noch ein
Rivale von Portugal und Spanien gewesen war. Geschichte interessierte sie für
gewöhnlich nicht besonders, abgesehen von der Geschichte Irlands – sie war
schließlich zur Hälfte Irin –
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