Brenda Joyce
sie furchtbar enttäuscht.
»Sie mögen mich nicht in diesem Kleid«, konstatierte sie, denn genau zu dieser
Erkenntnis war sie in diesem Augenblick gekommen.
»Aber nein,
so ist das nicht«, erwiderte er rasch.
»Ich kann es an Ihren Augen
ablesen«, beharrte sie bestürzt. Bragg zögerte. »Wie sollte ich Sie in einem
solchen Kleid nicht mögen? Jeder Mann in diesem Raum schaut sich nach Ihnen um,
weil er Sie bewundert.«
Plötzlich begriff sie, welchen
Fehler sie begangen hatte, begriff es nur zu gut. »Sie sind nicht
eifersüchtig.« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
»Nein.«
Sie begann zu zittern. »Sie
bewundern die Reformistin in mir, den Blaustrumpf, sogar die Kriminalistin.«
Ein kleines Lächeln umspielte
seine Lippen. »Francesca, bitte missverstehen Sie mich nicht.«
»0 nein, das tue ich nicht«,
flüsterte sie. »In diesem Kleid bin ich nicht ich selbst – und wir beide sind
die Einzigen, die das wissen.«
Ihre Blicke senkten sich
ineinander. »Ja«, sagte er schließlich mit leiser Stimme. »Sie sind kein Vamp.«
Sie starrte
ihn fassungslos an. Er hatte ja so Recht – sie war kein Vamp und würde auch nie
einer sein. Aber das war ihm gleichgültig, denn er liebte die Frau, die sie
wirklich war. Wie kam es nur, dass er sie so gut kannte? Wie kam es nur, dass
sie in Momenten wie diesen seine Gedanken zu lesen vermochte? »Es ist schon
eigenartig«, sagte sie schließlich mit bedächtiger Stimme. »Als ich mir den
Schnitt, den Stoff und die Farbe dieses Kleides aussuchte, da habe ich mir den
Ausdruck in Ihren Augen vorgestellt, wenn Sie mich zum ersten Mal darin sehen
würden. Aber ich habe mich nie darin wohl gefühlt, weder bei den Anproben noch
als es dann fertig war.«
»Der
Ausdruck in meinen Augen wird immer der gleiche sein, wenn es um Sie geht«,
antwortete er ruhig. »Sie könnten Lumpen tragen, und er würde sich nicht
ändern.«
Das war
wieder einmal ganz und gar nicht die Reaktion, auf die sie eigentlich gehofft
hatte, doch andererseits war sie viel besser. In diesem Augenblick schämte sich
Francesca schrecklich, weil sie Hart auch nur für einen einzigen Augenblick
verführerisch gefunden hatte. »Wie konnte das nur geschehen, Bragg? Meine Welt
hat sich über Nacht verändert. Ich war eine Reformistin und eine Studentin, und
nun ist nichts mehr, wie es einmal war.«
Er
lächelte. »Das Leben nimmt nun einmal ohne Vorwarnung die seltsamsten
Wendungen. Aber es gibt nichts, was Sie davon abhalten sollte, wieder einzig
und allein eine Reformistin und eine Studentin zu sein, Francesca.«
Sie stemmte die Hände auf die
Hüften. »Hören Sie, Bragg, was halten Sie von einem kleinen Spaziergang? Ich
habe nämlich den ganzen Tag über versucht Sie zu erreichen, da ich eine
Entdeckung gemacht habe, die für unsere Ermittlungen von Bedeutung sein
könnte.« Bei diesem Thema fühlte sie sich sogleich sehr viel wohler.
Er seufzte und verdrehte die
Augen, aber er lächelte – ganz offenbar war er ebenfalls erleichtert, über
weniger persönliche Dinge reden zu können. »Ich bin froh, dass die Frau, die
ich so mag, selbst in diesem Kleid wieder zum Vorschein kommt!«
»Sie war nie verschwunden,
Bragg.«
Er nahm
ihren Arm, und als sie gemeinsam den Raum durchquerten, bemerkte Francesca,
dass sich einige Köpfe in ihre Richtung drehten. Sie ignorierte die Blicke und
sagte: »Bragg, vielleicht hat es ja gar nichts zu bedeuten, aber meine Klientin,
Lydia Stuart, ist gerade frisch verheiratet. Und einen Monat nach ihrer
Hochzeit wurde ihre Schwiegermutter ermordet. Da sie in New York begraben
wurde, vermute ich, dass sie auch hier ermordet wurde. Aber bis vor kurzem
lebten die Stuarts noch in Philadelphia, also könnte ich mich in diesem Punkt
auch täuschen.«
Er blieb stehen und schaute sie
mit großen Augen an. »Auf welche Art wurde sie denn ermordet?«
»Es geschah
angeblich bei einem Einbruch. Sie hat einen Dieb auf frischer Tat ertappt, und
er hat sie erstochen. Offenbar hat er Schmuck gestohlen, ist aber bisher noch
nicht gefasst worden.«
»Nun, ich
bezweifle, dass die Morde etwas miteinander zu tun haben. Allerdings flüchten
die meisten Diebe ohne die Beute, wenn sie überrascht werden, und begehen
keinen Mord. Merkwürdig ist allerdings, dass Sie die Kutsche der Stuarts nach
der Beerdigung vor der Kirche gesehen haben. Lincoln Stuart war den ganzen Tag
über in Besprechungen, so dass ich bisher noch nicht die Gelegenheit hatte,
mich mit ihm zu unterhalten. Ich
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