Brenda Joyce
er
registrierte, wie zerzaust sie aussah – oder lag es vielleicht daran, dass ihm
klar wurde, was sie soeben getan hatten?
»Verflucht!«,
sagte er.
Es war der
schlimmste Kraftausdruck, den er in ihrer Gegenwart jemals benutzt hatte, und
doch wurde er den Umständen wohl kaum gerecht. Francesca begann hysterisch zu
lachen.
Leider war es ihr nicht gelungen, unentdeckt ins Badezimmer zu
schlüpfen. Ein Herr und eine Dame, die Francesca nicht kannte, hatten ihr mit
offenen Mündern nachgestarrt, als sie Hals über Kopf den Flur entlangrannte.
Ihre Frisur war ruiniert, aber viel schlimmer war, dass ihre Wangen ganz
gerötet und fleckig waren – wahrscheinlich von Braggs Bartstoppeln. Zum Glück
hatte sie die Geistesgegenwart besessen, einige Haarnadeln aufzusammeln, bevor
sie aus der Bibliothek geflüchtet war, und als sie jetzt vor dem Spiegel
stand, gelang es ihr, das Haar mit den Fingern durchzukämmen und es dann zu
einem straffen Nackenknoten zusammenzustecken. Vielleicht würde Connie es ja
schaffen, etwas an ihrem unmöglichen Aussehen zu verbessern.
Schwer atmend hielt sie bei
ihren Bemühungen inne, starrte sich im Spiegel an und ließ die Arme sinken. Sie
erkannte sich selbst kaum wieder.
Zwar lag
sie nicht mehr in Braggs Armen, aber sie vermochte an nichts anderes mehr zu
denken. Ihr Herz raste, und sie schien nicht normal atmen zu können. Ihre Haut
kribbelte, ihr Körper bebte. Die Frau, die ihr aus dem Spiegel entgegenblickte,
war ganz augenscheinlich höchst erregt.
Was sollte
sie nur tun?
Ein Schauer
durchlief sie, aber es war ein köstliches Gefühl. Francesca versuchte, ihr
Mieder zurechtzurücken, doch es wollte einfach nicht mehr richtig sitzen, und
schließlich gab sie auf. Dann strich sie über ihren Rock, atmete einmal tief
durch, um Mut zu schöpfen und verließ das Badezimmer. Sie musste unbedingt
Bartolla finden und sie um Diskretion bitten.
Zugleich
fürchtete sie sich vor dem, was sie erwartete.
Der Ballsaal
war inzwischen bis zum Bersten gefüllt; sicher würde man schon bald die Gäste
bitten, ihre Plätze für das Abendessen im Nebenraum einzunehmen. Da die
Cocktail-Stunde noch nicht vorüber war, tranken die Leute Champagner,
knabberten Leckereien und unterhielten sich in kleinen und großen Gruppen
miteinander. Dennoch war es nicht schwer, Bartolla ausfindig zu machen. Wie
immer war sie umringt von mehreren Herren.
Als
Francesca sich ihr näherte, spürte sie, wir ihr die Hitze in die Wangen stieg.
Evan stand so dicht neben der Gräfin, dass sich ihre Hüften zu berühren
schienen. Als er Francesca erblickte, begann er zu lächeln, doch dann schienen
ihm fast die Augen aus dem Kopf zu fallen, und er starrte sie ungläubig an.
Francesca straffte unwillkürlich die Schultern.
Ihr Bruder
trat ihr entgegen. »Was ist denn mit dir passiert?«, fragte er. »Du siehst aus,
als kämst du geradewegs aus dem Heu!«
»Nichts ist passiert«, log
Francesca nervös. »Bitte, Evan, nicht jetzt!«
»Ich werde den Kerl umbringen,
der dich in diesen Zustand versetzt hat«, drohte er.
Sie ergriff seine Hand. »Nein.
Du wirst dich um deine eigenen Angelegenheiten kümmern, Evan, und endlich
einsehen, dass deine kleine Schwester erwachsen ist.«
Er
erstarrte.
»Tu mir
bitte den Gefallen«, fügte sie hinzu.
Er
zögerte. »Sag mir nur, wer es gewesen ist.«
Sie ignorierte ihn und ging auf
Bartolla zu. »Hätten Sie wohl einen Moment Zeit für mich?«
Bartolla strahlte, als hätte
sie Francesca nicht erst wenige Minuten zuvor in einer überaus
kompromittierenden Situation erwischt. »Gewiss.« Sie entschuldigte sich und
entfernte sich mit Francesca von der Gruppe der Herren.
»Bartolla, ich flehe Sie an,
nichts von dem, was Sie gesehen haben, weiterzuerzählen!«, flüsterte Francesca.
Bartolla lächelte. »Es freut
mich, dass Sie sich amüsieren, Francesca, es freut mich wirklich.«
»Aber Ihre
Lippen sind versiegelt?«, fragte Francesca. »Aber natürlich sind sie das, meine
Liebe. Wir sind doch jetzt Freundinnen, und meine Freundinnen verrate ich nie.«
Francesca
war unendlich erleichtert. »Ich danke Ihnen.«
Bartolla
nahm ihre Hand und drückte sie. »Aber ich hoffe, dass Sie bereit sind für das,
was Sie da tun. Sich mit einem verheirateten Mann einzulassen, ist ein sehr
gefährliches Unterfangen für eine junge, unverheiratete und unerfahrene Frau
wie Sie.«
Francesca spürte, dass sie
errötete. »Ich mache doch gar nichts.«
»Wirklich? Da habe ich aber
eben etwas anderes
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