Brenda Joyce
Mary ja aus Eifersucht getötet.«
»Nein. Wir
haben es hier mit einem Wahnsinnigen zu tun, Francesca, der gedroht hat, erneut
zu morden, oder haben Sie das etwa schon vergessen? Doch eins steht fest:
Lincoln hat gelogen. Er hat behauptet, dass er Mary nicht gekannt hat«, sagte
er finster. »Die ganze Sache wird immer undurchsichtiger. Lassen Sie uns von
hier verschwinden, bevor wir entdeckt werden. Ohne Durchsuchungsbefehl ist das,
was wir hier tun, gesetzeswidrig. Ich werde Lincoln noch heute Abend zu einer
eingehenden Befragung ins Präsidium bringen lassen.«
Seine
Worte überraschten Francesca, denn sie hatte nicht gewusst, dass die
Durchsuchung des Hauses der Stuarts gegen das Gesetz verstieß. Bragg wollte
gerade ihren Arm nehmen, als sie Schritte auf der Treppe vernahmen. Francesca
erstarrte und sah Bragg an.
Falls Lincoln wirklich der
Mörder der beiden jungen Frauen war und er beabsichtigte, eine dritte zu töten,
dann war er ein gefährlicher Mann, und sie schwebten möglicherweise in großer
Gefahr, sollte er im Besitz einer Waffe sein.
Dann fiel ihr ein, dass sie ja
selbst eine Waffe in der Tasche hatte. Ob Bragg wohl ebenfalls eine trug?
Als sie in
der Bibliothek der Channings in seinen Armen gelegen hatte, hatte sie keine
Waffe bemerkt. Und immerhin hätte sie es doch gewiss gespürt, wenn er eine
Pistole im Hosenbund oder sonst irgendwo an seinem Körper getragen hätte.
Francesca
schaute auf den großen Wandschrank. Dann griff sie nach Braggs Hand und warf
ihm einen viel sagenden Blick zu.
Doch Bragg zog seine Hand weg
und schritt selbstbewusst auf die Tür zu, die soeben von Lincoln geöffnet
wurde. »Guten Abend, Stuart«, sagte er. »Wir hatten gehofft, dass Sie früh
genug zurückkehren. Wir müssen uns unterhalten.«
Kapitel
17
DIENSTAG,
11. FEBRUAR 1902 – 22.30 UHR
Lincoln stand mit einem grimmigen und zugleich überraschten
Gesichtsausdruck auf der Türschwelle, während ihm seine Frau von hinten über
die Schulter blickte. »Was soll denn das?«, fragte er.
»Es tut mir Leid, Sie zu
stören«, erwiderte Bragg rasch. »Bitte kommen Sie doch herein.«
Lincoln
rührte sich nicht. »Sie können doch nicht einfach so in mein Haus
hereinspazieren, als ob es Ihnen gehört! Wie sind Sie überhaupt hereingekommen?
Die Tür war doch abgeschlossen.«
»Ich bin in einer offiziellen
Polizeiangelegenheit hier«, erklärte Bragg. »Die Hintertür war offen.«
Lincoln warf Lydia einen
wütenden Blick zu. »Ich werde mal ein Wörtchen mit Giselle reden«, sagte sie.
»Ich
beantworte keine weiteren Fragen mehr«, sagte Lincoln. »Es ist schon spät, und
wir haben uns wegen Ihnen sehr aufgeregt – das reicht für einen Abend. Ihr
Verhalten geziemt sich wohl kaum für einen Gentleman, Commissioner.«
»Warum
haben Sie uns nicht gesagt, dass Sie Mary O'Shaunessy kannten?«, fragte Bragg.
»Wie
bitte?« Lincoln wurde kreidebleich.
Lydia war ebenfalls
ausgesprochen blass. »Was soll denn das?«, flüsterte sie.
Bragg sah Francesca an. »Warum
gehen Sie nicht mit Mrs Stuart nach unten?«
Francesca streckte die Hand
aus, um Lydia hinauszuführen, doch die schüttelte den Kopf. »Ich gehe
nirgendwohin!« rief sie mit einem Anflug von Hysterie in der Stimme. »Was werfen
Sie meinem Mann vor?«
»Bisher noch gar nichts.« Bragg
wandte sich erneut Lincoln zu. »Aber ich fordere Sie auf, mit ins Präsidium zu
kommen, um mir einige Fragen zu beantworten.«
»Ins
Präsidium?«, keuchte er.
»Jawohl«,
sagte Bragg.
Lincoln schüttelte den Kopf und
warf seiner Frau einen flehentlichen Blick zu. »Ich kenne keine Mary
O'Shaunessy!«, rief er. »Und Sie können doch nicht einfach unschuldige Bürger
aufs Polizeirevier schleppen!«
»Da haben
Sie natürlich Recht. Allerdings ist Richter Kinney ein guter Freund von mir,
und wenn ich jetzt bei ihm zu Hause vorbeischaue, kann ich mir umgehend einen
Haftbefehl für Sie besorgen. Und dann werde ich mit einigen Polizeibeamten
zurückkehren, und die ganze Sache wird amtlich.« Er lächelte. »Ich vergaß zu
erwähnen, dass ich Sie in diesem Fall offiziell des Mordes verdächtigen würde.«
Lincoln
schien es im ersten Moment den Atem verschlagen zu haben, doch dann trat
plötzlich ein unglaublich kalter Ausdruck in seine Augen, und er warf Francesca
einen solch eisigen Blick zu, dass diese erschrocken zusammenfuhr. Mit dem
gleichen Blick bedachte er auch Bragg. »Na schön. Ich werde Sie aus freien
Stücken auf das Präsidium begleiten. Aber ich warne Sie,
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