Brenda Joyce
nie gestört, aber
nun war ihr unheimlich zumute.
Das Haus
war eindeutig zu dunkel und zu still. Warum weinte nur keines der Kinder im
Schlaf? Warum waren keine Dienstboten in der Küche, um eine letzte Tasse Tee
zu trinken?
Als sie sah, dass die Treppe
zum zweiten Stockwerk in völliger Dunkelheit dalag, blieb Francesca keuchend
stehen. Wie konnte das nur sein? Es schien beinahe so, als habe jemand mit
Absicht die Lampen ausgeschaltet.
Plötzlich
hörte sie, wie oben eine Tür zugeknallt wurde. Oder war es ein Fenster gewesen?
Was in Gottes Namen ging da vor sich?
Francesca
rannte die Stufen hinauf, wobei sie ihre Pistole umklammert hielt und
versuchte, nicht an Braggs Worte zu denken, dass die Waffe bei einer
Auseinandersetzung mit einem echten Schurken nutzlos wäre. Lincoln ist bei
Bragg, O'Donnell im Gefängnis, wiederholte Francesca in Gedanken immer wieder,
aber diese Litanei war auch nicht besonders hilfreich. Wenn Sam Carter der
Mörder war, konnte er sich sehr wohl in diesem Moment im Haus befinden.
Warum
hatten sie nur niemanden beauftragt, Maggie und die Kinder zu bewachen?
Francesca hatte gerade den
zweiten Treppenabsatz erreicht, der ebenfalls im Dunkeln lag, als plötzlich ein
Schrei ertönte, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.
Einen Moment lang wusste
Francesca nicht, was sie tun sollte. Eine Frau hatte geschrien – Francesca
ahnte, dass es Maggie gewesen war. Im Geiste sah sie vor sich, wie die junge
Frau erstochen wurde, und im nächsten Moment schon feuerte sie instinktiv eine
Kugel in die Luft, um den Kreuzmörder damit von seiner Tat abzuhalten.
Der Schuss
war schrecklich laut.
Francesca
duckte sich aus Angst, dass die Kugel von der Decke abprallen und sie verletzen
könnte, aber stattdessen fiel ein Gemälde von der Wand und ihr beinahe vor die
Füße. Als sie sich wieder aufgerichtet hatte, erstarrte sie vor Schreck, denn in
der geöffneten Tür zu Maggie Kennedys Zimmer stand Lydia Stuart, die
Maggie von hinten festhielt und ihr ein Messer an die Kehle drückte.
»Rühren Sie sich ja nicht von
der Stelle!«, schrie Lydia. »Wenn Sie sich bewegen, schlitz ich sie auf wie die
Fische, die wir als Kinder ausgenommen haben!«
Francesca blieb wie versteinert
stehen. Sie sah, dass Maggie ein Nachthemd trug; Lydia dagegen war immer noch
in ihr pfirsichfarbenes Abendkleid gekleidet. Doch in diesem Augenblick hatte
sie nichts Vornehmes mehr an sich. Selbst ihre Stimme klang hart und kehlig –
als gehörte sie einer ganz anderen Frau.
Maggie warf
Francesca einen angsterfüllten Blick zu, und selbst im Halbdunkel des Flurs
vermochte Francesca das Flehen darin zu erkennen. Plötzlich hörte man, wie
jemand weiter hinten im Flur heftig von innen gegen eine Tür hämmerte.
»Bleiben Sie, wo Sie sind, zum Teufel noch mal!«, fauchte Lydia und verstärkte
den Griff, mit dem sie Maggie umklammert hielt.
Plötzlich begriff Francesca.
Aber zunächst einmal musste sie an die Kinder denken. »Wo sind die Kinder?«
»Die hab ich in ihrem Zimmer
eingesperrt, Miss Cahill«, erwiderte Lydia mit einem eiskalten Lächeln. »Sie
mussten Ihre Nase natürlich wieder einmal in Sachen stecken, die Sie überhaupt
nichts angehen!«
Francesca atmete tief durch und
begegnete erneut Maggies furchterfülltem Blick. »Ist bei Ihnen alles in
Ordnung?«
Maggie nickte.
»Das dürfte
sich bald ändern, und jetzt hab ich noch 'n Problem am Hals, verdammter Mist!«,
sagte Lydia mit scharfem Tonfall.
Francesca
schluckte. Sie verstand nur zu gut, was diese Frau, die die Kreuzmörderin war,
damit sagen wollte. Francesca wusste um ihre wahre Identität. »Sie werden
damit nie durchkommen. Bragg wird sehr schnell herausfinden, dass Sie Lincoln
die Sache angehängt haben.«
»Bis er das merkt, seid ihr
beide schon längst mausetot. Lassen Sie die Waffe fallen.«
Francesca zögerte. Diese Frau
hatte ihre beiden Freundinnen getötet, und nun beabsichtigte sie offenbar, auch
Maggie und Francesca zu töten, wobei sie die Schuld ihrem Mann zuschieben
wollte.
»Jetzt lassen Sie sie schon
fallen!«, befahl Lydia erneut, und Maggie keuchte auf, als das Messer an ihrer
Kehle in ihre Haut schnitt.
Francesca
ließ die Pistole sofort fallen. »Tun Sie ihr nicht weh! Ich flehe Sie an. Warum
gehen Sie nicht einfach? Ich schwöre Ihnen, wir werden Sie gehen lassen –
Lizzie.«
Lizzie
O'Brien lächelte sie an. »Wie gescheit Sie doch sind.«
»Sie haben
Ihrem eigenen Mann die Sache angehängt, nicht wahr?«, flüsterte
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