Brenda Joyce
haben Sie sich tatsächlich geirrt, Lydia, denn
als ich Ihrem Mann gestern gefolgt bin, fuhr er zu einem Friedhof und nicht
etwa zu Mrs Hopper.«
Lydia
blickte sie erstaunt an. »Wie bitte?«
»Es war der
Greenlawn Cemetery, der ein ganzes Stück weit entfernt im Norden der Stadt
liegt. Ich war ebenso überrascht wie Sie. Auf jeden Fall hat er Mrs Hopper
keinen Besuch abgestattet.«
Lydia schien ein Stein vom
Herzen zu fallen, und sie ließ sich in einen großen, gelben Sessel sinken. »Da
bin ich aber froh«, sagte sie schließlich. »Ich habe mir einfach keinen Reim darauf
machen können.«
Francesca nahm auf einer
rot-weiß gepolsterten Truhe Platz. Lydias Reaktion hatte sie überrascht, denn
immerhin war sie an jenem Donnerstag, an dem sie zum ersten Mal an Francesca
herangetreten war, noch davon überzeugt gewesen, dass ihr Mann sie betrog.
»Wissen Sie, wessen Grab Ihr Mann dort besucht hat, Lydia?«
»Das seiner Mutter. Sie ist vor
vier Monaten gestorben. Nur einen Monat nach unserer Hochzeit.«
»Das tut
mir Leid.« Irgendetwas stimmte nicht, das spürte Francesca, aber sie war
müde und machte sich Sorgen um Maggie, und daher vermochte ihr Verstand ihr
ungutes Gefühl nicht zu deuten. »Ich wusste gar nicht, dass Sie beide frisch
vermählt sind.«
»Wir haben
im September geheiratet.« Lydia schenkte Francesca ein Lächeln. »Mit
fünfundzwanzig Jahren zum ersten Mal zu heiraten, ist schon recht spät für eine
Frau. Ich habe sehr viel Glück gehabt.« Ihre Stimme wurde zum Ende hin immer
leiser.
Ganz offenbar war sie
unglücklich und beunruhigt, konstatierte Francesca. »Sind Sie sich auch ganz
sicher, dass ich den Fall abschließen soll?«, fragte sie.
Lydia zögerte erneut. »Er wird
sehr aufgebracht sein, wenn er jemals davon erfahren sollte, dass ich Sie
beauftragt habe«, sagte sie rasch. »Er hat uns gestern hier überrascht. Ich
glaube, er ist misstrauisch!«
»Aber wir haben doch das Recht
darauf, Freundinnen zu sein«, erwiderte Francesca.
»Miss Cahill, wir sind
wohlhabende, aber recht einfache Leute. Sie dagegen sind die Tochter eines
Millionärs, ihre Schwester ist eine Baronin, ihr Bruder der Erbe eines riesigen
Vermögens. Unsere Wege werden sich gewiss hin und wieder bei gesellschaftlichen
Anlässen kreuzen, aber wohl kaum allzu häufig. Ich bin mir sicher, dass Ihre
Freundinnen besser gestellt sind als ich.«
»Aber es
ist mir immer schon völlig gleichgültig gewesen, ob jemand reich ist oder
Einfluss hat oder ob blaues Blut in seinen Adern fließt«, erwiderte Francesca
lächelnd. »Und ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn wir richtige Freundinnen
werden könnten.«
Lydias Augen füllten sich mit
Tränen. »Das ist wirklich unglaublich nett von Ihnen«, flüsterte sie.
»Warum
zweifeln Sie an der Zuneigung Ihres Mannes?«
Lydia
seufzte. »Er ist in letzter Zeit so distanziert. Und ich habe nichts
unternommen, um seine Zuneigung zurückzugewinnen!«, fügte sie verzweifelt
hinzu.
»Möglicherweise trauert er ja
um seine Mutter, und es steckt nichts weiter dahinter.«
Lydia
nickte widerstrebend. »Ja, das mag sein. Lincoln betete seine Mutter an. In
meinen Augen war sie eine ziemlich schwierige Frau, aber seine Gefühle für sie
waren sicherlich angemessen.« Sie seufzte erneut. »Und Rebecca Hopper ist so
wunderschön und so leicht zu durchschauen. Ganz offensichtlich versucht sie
mir meinen Mann abspenstig zu machen.« Lydia sprang auf, und in ihrem Gesicht
spiegelten sich Wut und Angst wider. Sie hatte die Fäuste geballt.
Francesca erhob sich ebenfalls.
»Geben Sie mir noch ein oder zwei Tage, bevor ich den Fall abschließe«, sagte
sie leise.
»Na schön«, erwiderte Lydia. Im
selben Moment wurde die Salontür geöffnet, und Lydia schien vor Überraschung
und Furcht zu erstarren.
Lincoln
steckte den Kopf zur Tür herein und lächelte amüsiert. »Guten Tag, meine
Damen«, sagte er. »Störe ich?«, fragte er, öffnete die Tür weit und trat auf
seine Frau zu. Er trug ein in Geschenkpapier eingeschlagenes Päckchen bei sich
und gab Lydia einen Kuss. Falls er ihr Gespräch zufällig mit angehört hatte, so
ließ er sich nichts anmerken. »Wie ich sehe, hast du wieder einmal Miss Cahill
zu Gast. Wie schön, Liebste.«
Lydia
nickte. »Ich freue mich auch darüber. Fühlst du dich nicht
wohl, Liebling? Du bist schon ungewöhnlich früh zu Hause.« Ihre Lippen bewegten
sich kaum beim Sprechen.
»Ich wollte einfach in deiner
Nähe sein, Liebste«, sagte er. »Bist
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