Brenda Joyce
ihretwegen!
»Hör bitte auf, so zufrieden zu grinsen«, sagte er, lächelte jedoch.
»Aber ich bin zufrieden«, versetzte sie, und ihr Lächeln
wurde noch breiter. »Du musst wirklich nicht eifersüchtig sein«, setzte sie
erneut an in dem Wunsch, ihn zu beruhigen. Aber dann wurde ihr schlagartig
bewusst, was sie und Bragg schon miteinander erlebt hatten, und sie erkannte,
wie falsch ihre Worte waren. Calder hatte allen Grund, eifersüchtig zu sein,
denn zwischen seinem Bruder und ihr gab es eine Bindung, die niemand, nicht
einmal er, jemals würde zerstören können.
Er zog
skeptisch eine Augenbraue in die Höhe.
»Wir sind
verlobt«, sagte sie und legte ihm eine Hand an die Wange. »Und du musst wissen,
dass ich dir treu sein werde.«
»Ja, das
weiß ich«, entgegnete er.
Sie zögerte. Offenbar beschäftigte ihn noch mehr. »Was ist denn?«
»Deine
Treue reicht mir nicht.«
Sie zuckte zusammen. »Was kann ich dir denn sonst noch geben? Was
kannst du mehr von mir verlangen?«
Jetzt war er es, der zögerte. Sein Gesicht nahm einen angespannten
Ausdruck an, und seine Augen blickten dunkel wie die Nacht.
»Dein
Herz«, sagte er.
Hart zögerte
auf der Türschwelle des überaus exklusiven Privatclubs, dem er nicht als
Mitglied angehörte. Er hatte es sich etwas kosten lassen, sich Zutritt zu
verschaffen: Er hatte den Türsteher mit fünfzig Dollar bestochen. Das Jewel stand
im Ruf, ein überaus verdorbenes Etablissement zu sein. Der Name war ein Synonym
für Wollust, Trunksucht und Drogen. Außerdem war bekannt, dass einem Gentleman
hier alle Spielarten des Vergnügens zur Verfügung standen – sofern er imstande
war, für seine ausgefallenen Vorlieben zu zahlen.
Das Jewel war in einer Villa an der Fifth Avenue untergebracht,
die ein halbes Jahrhundert zuvor einem flämischen Kaufmann gehört hatte. Von
der geräumigen Eingangshalle aus, in der Hart stand, konnte er in den Salon und
in ein Speisezimmer sehen. Beide Räume waren elegant eingerichtet, mit echten
Gemälden an den Wänden. Einige junge Herren spielten Poker, andere schäkerten
mit jungen, üppig gebauten Prostituierten, die ausnahmslos attraktiv und teuer
gekleidet waren. Im Speisezimmer dinierten einige Gäste mit ihren
Begleiterinnen. Nicht weit von Hart entfernt entlockte ein Klavierspieler dem
Flügel eine fröhliche Melodie. Hinter dem Pianisten führte eine breite Treppe
in die beiden oberen Stockwerke des Hauses, wo man sich anderen Gelüsten
hingeben konnte.
Eine Frau näherte sich. Hart erkannte auf den
ersten Blick, dass es sich um die Bordellwirtin handelte, aber er wusste nicht,
ob sie auch zugleich die Eigentümerin war. Sie war in den Dreißigern, blond,
elegant, schön – das hellblaue Kleid, das sie trug, war hochgeschlossen, und
die Ärmel reichten ihr bis zu den Ellenbogen, aber ihre vorzügliche Figur kam
darin durchaus zur Geltung. Sie trug mehrere schmale Ringe, einen mit einem
Saphir und zwei mit Diamanten, dazu ein wunderschönes Saphirarmband. Alles an
ihr wirkte unaufdringlich. Mit ihrer Eleganz, der züchtigen Kleidung und dem
Schmuck hätte sie sich in jedem vornehmen Salon mühelos als eine echte Dame
ausgeben können. Als sie vor Hart stehen blieb, lächelte sie ihn an, doch er
war ein Meister darin, Menschen zu durchschauen, und wusste, dass seine
Anwesenheit sie beunruhigte.
Warum wohl? Der Türsteher hatte das Bestechungsgeld genommen,
hatte dann jedoch erst die Erlaubnis einholen müssen, ihn einzulassen. Er hatte
seinen richtigen Namen genannt, da er seinen Ruf unter diesen besonderen Umständen
als Vorteil erachtete, und er bezweifelte, dass die Leitung dieses Etablissements
bereits Kenntnis davon hatte, dass er mit der Frau verlobt war, die das
Verschwinden der Mädchen untersuchte.
Er lächelte die Frau charmant an und ergriff ihre Hand. »Madame?«
Er sprach das Wort mit französischer Betonung aus. »Mein Name ist Calder Hart,
zu Ihren Diensten.« Er beugte sich über ihre Hand. Sie lächelte ihn unverwandt
an. »Vielen Dank, dass Sie mir Einlass in Ihr Etablissement gewährt haben.«
Die Frau neigte hoheitsvoll den
Kopf. »Mr Hart. Ihr Ruf eilt Ihnen voraus. Ich fühle mich geschmeichelt, Sie
heute Abend hier begrüßen zu dürfen.« Ihr Lächeln war ebenso charmant wie das
seine. »Ich bin Solange Marceaux, und bis wir uns besser kennengelernt haben,
dürfen Sie mich Madame Marceaux nennen.«
Ihre Worten klangen falsch. Wieso nur? Sie
hätte doch erfreut sein müssen, einen Mann von seinem Reichtum
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