Brenda Joyce
Ebenso plötzlich beendete Hart den Kuss auch wieder und sah
ihr in die Augen, als sei er überrascht von dem, was gerade geschehen war. »Du
bist diejenige, die ich in meinem Bett haben will, Francesca.« Sie nickte, für
den Moment unfähig, ein Wort herauszubringen.
»Und was
Daisy und Rose angeht, so war das lediglich ein weiteres Spiel, das ein so
übersättigter Mann wie ich gern ausprobieren wollte. Ich bestreite nicht, dass
ich Sex mag und dass ich ihn brauche.« Er hob ihr Kinn an. In seinem Blick lag
Rauch und Feuer, aber auch eine gewisse Härte. »Ich will auch gar nicht
bestreiten, dass mich meine derzeitige selbst auferlegte Enthaltsamkeit
frustriert, denn das ist durchaus der Fall. Manchmal ist sie sogar recht
schmerzhaft, aber es gibt Mittel und Wege, um Abhilfe zu schaffen.« Er lächelte
spöttisch.
Francesca richtete sich auf. Sie war neugierig, was er damit
meinte.
Er ließ die Hand sinken. »Aber es fällt mir
nicht schwer, das Versprechen, das ich dir gegeben habe, zu halten, Francesca –
warum sollte es auch? Wenn ich dich nicht heiraten und mein Leben ändern
wollte, müsste ich es ja nicht tun. Wenn ich weiterhin Umgang mit Huren und
geschiedenen Frauen pflegen wollte, könnte ich das. Aber ich will es nicht.
Ich habe gestern diesen Club besucht, um die verschwundenen Mädchen zu finden.
Ich bin noch niemals zuvor in diesem Etablissement gewesen, denn es mangelt ihm
an Eleganz, und auf Eleganz bin ich nicht bereit zu verzichten. Und wenn du es
wünschst, werde ich es nie wieder betreten.« Er lächelte kurz und blickte ihr
dabei tief in die Augen.
Sie schüttelte den Kopf, atmete zittrig ein und sehnte sich erneut
nach seiner Umarmung. Noch immer fiel es ihr schwer, zu sprechen. »Wolltest du
denn nicht mit ihnen schlafen?«, flüsterte sie schließlich, denn das war die
eigentliche Frage, die ihr auf der Seele lag.
»Nein, Liebling«, sagte er, plötzlich belustigt. »Eigenartigerweise
bist du es, die ich will, du und keine andere.« Und dann fügte er hinzu:
»Ehrlich gesagt, habe ich mich gelangweilt, Francesca.«
Sie biss sich auf die Unterlippe, das Herz schlug ihr immer noch
bis zum Hals, und ihre Haut prickelte. »Du bist mir ein Rätsel, Calder.«
Er zuckte die Schultern. »Voyeurismus war noch nie nach meinem
Geschmack. In diesem Fall hatte ich keine andere Wahl. Ich bin vielleicht zwanzig Minuten lang geblieben, habe dann
erklärt, dass ich mich langweile, und bin gegangen. Allerdings habe ich Madame
Marceaux meine Visitenkarte dagelassen und sie beauftragt, mir das zu
verschaffen, wonach ich wirklich verlange. Es war eine Prüfung, und ich glaube,
dass meine Scharade funktioniert hat. Ich konnte bis zum Schluss nicht recht
durchschauen, was Madame Marceaux dachte. Aber wenn sie tatsächlich weiß, wo
sie ein Kind für mich beschaffen kann, rechne ich damit, dass sie es tut, und
zwar zügig.«
Francesca blickte in sein attraktives Gesicht
und versuchte all das zu verarbeiten, was sie eben von ihm erfahren hatte. »Ich
bin froh über das, was du getan hast. Du hast recht, hierbei geht es um den
Fall und nicht um dich oder um mich. Calder, was hältst du davon, wenn ich
einmal mit Daisy spreche und sie bitte, Rose zu fragen, ob sie bereit wäre, für
uns zu arbeiten?«
»Unsere Gedanken gehen in dieselbe Richtung,
Francesca. Aber das kann ich übernehmen. Immerhin steht sie in meiner Schuld.«
Francesca fasste seine Hand. »Sie ist nicht
glücklich darüber, dass euer Arrangement ein so rasches Ende genommen hat. Ich
glaube, es wäre besser, wenn ich als Frau und Freundin an sie herantrete, als
wenn du ihr befielst, uns zu helfen.« Hart blickte sie nachdenklich an und
nickte dann. »Einverstanden. Sie hat dich wirklich gern.«
»Gut.« Francesca lächelte ihn an, wurde jedoch sofort wieder
ernst. »Wir brauchen unbedingt eine Spur, Calder, und das so schnell wie
möglich.«
»Da hast du recht. Ganz besonders, wenn Bonnie wirklich tot sein
sollte«, erwiderte er grimmig.
Sie zuckte zusammen. »Glaubst du etwa, dass das Grab ein Trick
ist, eine Täuschung?«
»Wir
sollten es öffnen«, erklärte er.
Kapitel 14
SONNTAG, 30. MÄRZ 1902 – 14:00 UHR
Francesca hatte den Möchtegern-Informanten
mitgeteilt, sie sollten am nächsten Morgen um die gleiche Zeit wiederkommen.
Dann war sie mit Calder rasch zur nahe gelegenen Mulberry Street gefahren, um
im Polizeipräsidium zu erwirken, dass Bonnie Coopers Grab geöffnet werden
durfte. Doch sie trafen Bragg nicht an. Er befand
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