Brenda Joyce
Wirklichkeit nicht aus, oder?«, rief sie.
»Nein.« Er zog überrascht die Augenbrauen
hoch. »Sie ist eine eiskalte Schönheit, Francesca, hellblond, hoheitsvoll,
elegant.«
»Wunderbar«, versetzte Francesca bebend.
Calder war also einer Frau begegnet, die nicht einmal er zu durchschauen
vermochte, einer blonden Schönheit, einer Frau, die genau wusste, wie gut sie
aussah, einer Frau, die zu den wenigen Menschen zählte, die imstande waren,
Calder bei seinen Spielchen auszutricksen. Er musste begeistert gewesen sein,
sich vortrefflich amüsiert haben. Eifersucht überwältigte sie, ihre Phantasie
begann sich wieder zu regen, und sie sah im Geiste einen erregten Calder vor
sich, der an einem Bett stand, in dem zwei Frauen – die eine blond, die andere
dunkelhaarig – in leidenschaftlicher Umarmung lagen. Ihr Herz begann wild zu
hämmern. Sie hätte ihn am gestrigen Abend begleiten sollen. Sie wusste, dass
Rose in seiner dunklen Vergangenheit eine Rolle gespielt hatte, aber sie
wusste auch, dass es damit vorbei war – zumindest hatte sie es geglaubt. Doch
die Vorstellung, dass er sich nun zu Solange Marceaux hingezogen fühlte, sich
mit ihr maß, ihren Reizen erlag, tat schrecklich weh. Und war zudem schockierend.
»Du hast also letzte Nacht, während ich schlief, Rose und Madame
Marceaux dabei zugesehen, wie sie sich geliebt haben?«, fragte sie mit
heiserer Stimme. Ob er wirklich nur zugesehen hatte – ein viriler Mann wie
Hart?
Er zuckte zusammen. »Madame Marceaux hat das abgelehnt, wie ich
erwartet hatte. Es war nur ein Trick, Francesca, um sie zu verunsichern, weiter
nichts. Und es hat funktioniert – zumindest kurzzeitig.«
Sie sah ihn an. Plötzlich kam es ihr unerträglich stickig vor im
Inneren der Kutsche, und diese düster-verführerischen Bilder wollten ihr
einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. »Das war nur eine Prüfung«, fuhr er
leise fort und griff wieder nach ihrer Hand. Diesmal zog sie sie nicht weg.
»Und ich musste sie nur aus einem einzigen Grund bestehen: Weil ich dir helfen
wollte, deinen Fall aufzuklären.«
»Also hast du zugesehen, wie
Rose sich mit einer anderen Frau im Bett vergnügt hat«, brachte sie heiser
heraus. Er zuckte erneut zusammen. »Ja, das habe ich.«
»Hast du mitgemacht?«, flüsterte sie. Großer Gott, sie empfand so
viel für Calder, dass die Vorstellung, wie er mit zwei Frauen im Bett lag,
nicht nur eine entsetzliche Eifersucht in ihr weckte, sondern auch ein
Verlangen, dass langsam ihren Körper durchströmte, stärker wurde, ihr Blut in
Wallung brachte.
»Nein, das
habe ich nicht«, erwiderte er entgeistert.
Seine Antwort kam so prompt und klang so aufrichtig erschüttert,
dass Francesca ihm glaubte. Wortlos sah sie ihn an, unendlich erleichtert.
»Francesca, ich habe dir mein Wort gegeben. Außerdem bist du
diejenige, an die ich denke, und nicht etwa ein paar Huren.« Sein Tonfall war
sehr ernst.
Francesca fühlte sich plötzlich den Tränen nahe und hatte mehr
Angst vor sich selbst als vor ihm. »Aber du bist nun einmal ein Lustmensch«,
flüsterte sie. »Ich glaube, du bist süchtig danach. Und du bist gern mit zwei
Frauen gleichzeitig zusammen.«
Sein Griff um ihre Hand verstärkte sich. »Liebling, nach unserem
Gespräch heute möchte ich nie wieder über meine dunkle Vergangenheit reden.
Denn wenn du sie mir immer wieder vorhältst, werden wir niemals miteinander
glücklich werden können. Verstehst du das?«
Sie nickte,
kämpfte gegen die Tränen an.
»Warum
weinst du?«, fragte er mit sanfter Stimme.
»Ich weine
ja gar nicht«, log sie.
Er umfing ihr Gesicht mit seinen Händen. »Du
bist diejenige, mit der ich zusammen sein möchte. Die Jagd, die Eroberung ist
schon vor langer Zeit schrecklich langweilig geworden, war nichts weiter als
ein Zeitvertreib in den endlosen Stunden der Nacht.«
Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, war sich
bewusst, wie nahe sein Mund dem ihren war, sehnte sich nach einem
leidenschaftlichen Kuss. »Aber du warst in der Vergangenheit mit Daisy und Rose
zusammen«, murmelte sie zitternd.
Er sah sie an und wusste es. Er erkannte die
Bestie sofort. Sie wählte die eigenartigsten Momente, um sich zu regen. »Nicht
weinen«, flüsterte er, und ihre Blicke senkten sich ineinander. Und dann
beugte er sich vor und streifte mit seinen Lippen flüchtig die ihren.
Sie schnappte nach Luft. Im nächsten Moment
füllte seine Zunge ihren Mund, ihre Lippen vereinigten sich zu einem wilden,
dringlichen Kuss.
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