Brenda Joyce
zwei weitere Betten, die jedoch beide leer
waren. Während Bragg neben Leigh Annes Bett niederkniete, fiel ihm auf, wie
unglaublich blass sie war. Sie erschien ihm
so klein und schwach wie Katie, ebenso verletzlich und hilflos. Er griff nach
ihrer Hand, nahm sie fest in seine, die noch heftiger zitterte als zuvor. Erst
jetzt bemerkte er ihr linkes Bein, das leicht erhöht in einem Gestell gelagert
war, dreimal so dick wie gewohnt und mit einem zweiten Laken bedeckt. Was war
nur mit ihrem Bein geschehen?
Leigh Anne stöhnte leise.
Sofort richtete er den Blick erwartungsvoll auf ihr Gesicht, aber
sie schlief immer noch. Hatte er sie nicht gerade stöhnen hören? Ob sie wohl
immer noch Schmerzen hatte? Er stand so neben sich, dass er sich nicht einmal
nach den genauen Umständen des Unfalls erkundigt hatte. Leigh Anne war von
einer Kutsche überfahren worden, aber wie war es genau geschehen? Doch im
Grunde hatte er Angst, die Einzelheiten zu erfahren. Er strich ihr mit der
anderen Hand übers Haar und hatte das Gefühl, es müsse ihm das Herz brechen.
Was hatte er dieser Frau angetan? Wie hatte er sie nur so gemein
behandeln können? »Leigh Anne, ich bin es, Rick.« Er versuchte zu lächeln, aber wenn sie ihn hörte, ließ sie es sich nicht
anmerken. »Wach nicht auf. Pssst, schlaf weiter. Das ist gut für dich«, sagte
er und fügte im Stillen hinzu: Liebling. »Es tut mir leid«, brachte er
mit belegter Stimme heraus, und dann verlor er zu seinem Entsetzen die Fassung.
Tränen liefen ihm über die Wangen. Er war unfähig, sie zurückzuhalten, brachte
kein Wort mehr heraus, und so hielt er nur stumm ihre Hand. Was für ein
Mistkerl er doch gewesen war.
Die ganze Zeit über, während er sie im Geiste beschuldigt hatte,
ihn verlassen zu haben, hatte sie schwer verletzt und unter Schmerzen, ohne einen vertrauten Menschen an ihrer Seite, hier
im Krankenhaus gelegen. Er hasste sich selbst. Das würde er sich niemals verzeihen.
Und er hasste sich auch dafür, wie er in den vergangenen sechs Wochen mit ihr
umgegangen war, wie er sie Tag für Tag und Nacht für Nacht bestraft, sie wie
eine Hure behandelt hatte.
Sie war keine Hure. Großer Gott, sie war seine
Frau.
Es gelang ihm, die Selbstbeherrschung bis zu
einem gewissen Grad wiederzuerlangen. Er lächelte unter Tränen. »Ich bin so
ein Mistkerl gewesen, und es tut mir furchtbar leid.
Aber jetzt bin ich bei dir. Du bist nicht allein.« Er strich mit
den Fingerspitzen über ihre Wange und erstarrte. Hatten ihre Augenlider nicht
gerade für einen Moment geflattert? Hatte sie ihn gehört?
Er schluckte schwer und küsste sie auf die Wange. »Es tut mir leid«,
wiederholte er entschlossen. »Wenn es dir wieder besser geht und du nach Hause
kommst, wird es anders sein, das verspreche ich dir.«
Und dieses Mal erkannte er deutlich, dass
ihre Lider zuckten.
»Leigh Anne? Ich bin es, Rick. Ich bin da und ich werde dich nicht
allein lassen, das verspreche ich dir.« Er zögerte, dann fügte er aus einem plötzlichen Bedürfnis hinzu: »Du wirst
niemals wieder allein sein.« In diesem Moment sah er ganz deutlich seine eigene
Verletzbarkeit, und die Angst in seinem
Inneren schwoll zu einem tiefen, dunklen, gewaltigen Ozean an. Aber noch immer
gab es keine Anzeichen dafür, das Leigh Anne ihn tatsächlich hörte. Ihre Atmung
war weiterhin tief und gleichmäßig, ihr Gesicht eine ausdruckslose Maske der
Schönheit und Vollkommenheit.
Er verstand sich selbst nicht mehr. Er wusste nur, dass er ganz
und gar nicht edelmütig war. Die Welt bekam von ihm immer nur die glatte
Oberfläche zu sehen. Wenn er tatsächlich ein so guter und moralischer Mensch
wäre, hätte er sicherlich nicht diese schändliche Vereinbarung mit ihr
getroffen und ihr gestattet, ein halbes Jahr lang bei ihm zu wohnen, um
anschließend ihre Zustimmung zu einer Scheidung zu erlangen. Und er hätte
nicht jede Nacht als Gefangener seiner Lust mit ihr geschlafen. Er hätte ihr
das Haus überlassen, selbst ausziehen und sie mit all der Rücksicht und
Höflichkeit behandeln sollen, die sie verdiente. Wie hatte er sich ihr
gegenüber nur so abscheulich benehmen können? Es grenzte an ein Wunder, dass
sie sein Verhalten überhaupt erduldet hatte. Sie war den Mädchen eine liebevolle
Mutter gewesen und ihm eine gute Ehefrau. Jedes Mal, wenn er an die letzten
vierundzwanzig Stunden zurückdachte, überwältigten ihn unerträgliche
Schuldgefühle. Sie hatte die ganze Zeit allein hier gelegen, während er zu
Hause
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