Brenda Joyce
tat.
Neben ihm auf dem Boden kniend, sah Bridget zu, wie Joel sich
mühsam und offenbar unter Schmerzen aufrichtete und sich an den Kopf fasste. Gott sei Dank, allmählich nahm sein Gesicht wieder
ein wenig Farbe an. Als er die Hand ansah, mit der er seinen Kopf betastet
hatte, war sie voller Blut.
Bridget riss hastig ein Stück von ihrem Kleid ab. Der Stoff war
vom vielen Tragen und Waschen so dünn, dass er leicht riss. »Ich dachte, du
wärest tot«, sagte sie und rückte näher. Geschickt wickelte sie ihm den
Stoffstreifen um den Kopf. »Weißt du noch, was passiert is?«
»O ja«, erwiderte er heiser, und seine Augen wurden ganz dunkel.
Ihre
Blicke trafen sich.
Bridget sah die wilde Entschlossenheit in seinen Augen und
schauderte.
»Wie lange sind wir schon hier? Autsch!« Er schob ihre Hand weg.
»Lass mich 'nen Knoten reinmachen, du Rotzlöffel«, tadelte sie,
doch insgeheim schöpfte sie ein wenig Hoffnung – der Junge war nicht tot, und
vielleicht würde es ihnen ja gemeinsam gelingen, zu fliehen.
Joel schob ihre Hand erneut fort und stand auf. Er wirkte schon
deutlich weniger benommen. »Du bist jünger als ich, also wenn hier einer der
Rotzlöffel is, dann wohl du!«, sagte er warnend und band sich selbst einen
Knoten in seinen behelfsmäßigen Verband. »Also, wie lange sind wir schon hier?
Und wo sind wir überhaupt?«
»Ein paar Stunden müssten's schon sein. Genau weiß ich's nicht«,
erwiderte sie und stand ebenfalls auf. Dadurch, dass nun ein Stück von ihrem
Rock fehlte, waren ihre Waden zu sehen, die in löcherigen Strümpfen steckten,
»Ich hab keine Ahnung, wo wir sind. Die hatten mir so 'nen stinkenden Sack über
den Kopf gezogen, so dass ich nix sehen konnte!«
Joel ging zur Tür und versuchte, sie zu öffnen.
»Abgeschlossen«, sagte sie, auch wenn es
offensichtlich war.
Er warf ihr einen verächtlichen Blick zu. »Gib mir mal 'ne
Haarnadel«, verlangte er.
»Ich hab keine. Du siehst doch,
ich hab die Haare geflochten«, erwiderte sie, die Hände auf die Hüften
gestemmt. Joel warf ihr einen entrüsteten Blick zu, dann ging er zielstrebig
zu dem Bett hinüber und hob mit gerümpfter Nase die dünnen Laken an.
Bridget begriff, was er vorhatte: Das Bett war offenbar von einem
Mann und einer Frau benutzt worden – man konnte riechen, dass darin jemand Sex
gehabt hatte –, und Joel suchte nun nach Haarnadeln, die sich dabei gelöst
hatten. Wie schlau von ihm!
Grinsend hielt er eine lange, wenn auch verbogene Haarnadel in
die Höhe. »Sieh nur.«
Sie lächelte ihn an, dann runzelte sie die Stirn. »Was hast du
damit vor?«
»Das Schloss knacken«, versetzte er mit selbstgefälligem Grinsen.
Bridget sah ungläubig zu, wie er die Nadel gerade bog und damit
wieder zur Tür ging. Sie eilte ihm nach und blieb so dicht hinter ihm stehen,
dass ihre sich entwickelnden Brüste seinen Rücken streiften. Joel zuckte
zusammen. Bridget trat hastig einen Schritt zurück und beobachtete, wie er die
Haarnadel in das Schloss steckte und geschickt darin herumstocherte. Einen
Moment später schnappte das Schloss auf. »Du meine Güte!«, stieß Bridget
hervor. »Bist du etwa 'n Einbrecher?«
»Nee, das Klauen hab ich aufgegeben, seit ich Miss Cahill kenne«,
entgegnete er. »Geh mal von der Tür weg, ich will nachsehen, ob da draußen auch
niemand steht.«
Bridget
gehorchte eilig.
Joel öffnete die Tür vorsichtig
einen Spalt weit und spähte hinaus. Dann schloss er sie ebenso behutsam wieder.
»Was hast du gesehen?«, fragte sie atemlos.
»Keiner da«, verkündete er. »Am Ende vom Flur is 'ne Treppe und
links von uns 'n Fenster.«
Bridget sah ihn zweifelnd an. »Hast du etwa vor, hier einfach so
rauszuspazieren? Diese schrecklichen Männer sind doch bestimmt irgendwo da
unten.«
»Wir springen aus dem Fenster«, entschied
Joel.
Bridget schluckte nervös. »Na schön«, flüsterte
sie.
»Keine Angst.« Er nahm ihre Hand. »Vielleicht steht ja 'n Baum
vorm Fenster.«
Sie hoffte inständig, dass sie sich im ersten Stock befanden und
vor dem Haus eine große, dicke Eiche stand. Aber vor allem hoffte sie, man möge
sie bei ihrer Flucht nicht erwischen. Joel öffnete wieder behutsam die Tür,
ohne dabei ihre Hand loszulassen. Seine Berührung war warm und beruhigend.
Bridget warf ihm einen verstohlenen Seitenblick zu. Er war so tapfer!
»Los geht's«, flüsterte er.
Sie schlüpften in den leeren Flur hinaus und schlichen rasch an
mehreren geschlossenen Türen vorbei zu dem Fenster, das
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