Brenda Joyce
bei einem Empfang begegne, hängt
sie an seinem Arm. Jeder mag sie. Sie ist verschiedenen Gesellschaften
beigetreten, unter anderem dem Ladies Club of Fifty und dem Committee
of Fifteen«, berichtete Connie und bezog sich dabei auf politische
Gesellschaften, die sich der Reformbewegung verschrieben hatten. »Und neulich
erst hat sie mich zu einem Lunch eingeladen.«
Francesca fiel für einen Moment das Atmen
schwer. Leigh Anne setzte sich für Reformen ein? Das war einfach ungerecht!
»Du hast natürlich abgelehnt.«
»Ich habe angenommen«, versetzte Connie
indigniert. »Das Essen findet morgen statt. Thema ist das öffentliche Schulwesen.
Ich glaube, es geht darum, dass Spenden für die Einrichtung weiterer Schulen
eingeworben werden sollen.«
Das öffentliche Schulwesen in New York war in
katastrophaler Verfassung. Tausende von Kindern erhielten keine Ausbildung,
weil es einfach nicht genug Schulen und nicht genug Lehrer gab. Seth Low war
wegen seiner fortschrittlichen Gesinnung gewählt worden, weil er sich für eine
Regierung einsetzte, die um das Wohl des Volkes bemüht war. Und das schloss
den Anspruch auf eine Schulbildung ein.
Francesca hatte sich von klein auf zur
Reformistin berufen gefühlt. Als Mädchen hatte sie Plätzchen verkauft, um Geld für Waisenkinder zu sammeln. Sie war in sechs Gesellschaften
aktiv, unter anderem im Citizen's Union Ladies Club. Schulausbildung für
alle stand ganz oben auf der Liste ihrer Zielsetzungen – und Connie wusste das.
Nun war Francesca hin- und hergerissen zwischen Wut und Bewunderung für eine
Frau, die sie so gern verachtet hätte. Leigh Anne war mehr als nur schön – aber
sie war gewiss nicht aus tiefstem Herzen Reformistin. Das war sicherlich nur
ein Trick, um Rick Bragg für sich zu gewinnen.
»Komm doch mit«, schlug Connie vor. »Sie hat ungefähr dreißig der
reichsten Frauen der Stadt eingeladen und wird bestimmt jede Einzelne von uns
um eine großzügige Spende bitten. Das sind Frauen, die du kennen solltest,
Fran.«
Francesca erwiderte verdrießlich: »Private Gelder werden wohl kaum
ausreichen, um das öffentliche Schulwesen der Stadt zu reformieren.« Aber
Connie hatte recht – sie sollte an dem Essen teilnehmen und sich mit diesen
Frauen treffen, vielleicht sogar versuchen, einige von ihnen für ihre Sache zu
gewinnen. Ja, sosehr ihr auch davor graute, sie musste in der Tat an Leigh
Annes Essen teilnehmen.
»Du kannst wirklich störrisch wie ein Maultier sein, Fran!« Connie
hätte beinahe mit dem Fuß aufgestampft. Dann sahen die beiden Schwestern zu,
wie sich Bragg näherte.
Er war ein äußerst attraktiver Mann mit goldbraunem Teint und
honigblondem Haar, wie es viele der Männer aus seiner Familie hatten.
Auffallend waren seine hohen Wangenknochen und die bernsteinfarbenen Augen.
Bragg war von kräftiger Statur, breit in den Schultern und schmal in den
Hüften. Ach, wenn die Dinge zwischen ihnen nur anders stünden, dachte
Francesca. Sie musste kurz die Augen schließen, um sich wieder zu fangen.
Es war albern, sich etwas zu wünschen, was man nicht haben
konnte, und Zeitvergeudung noch dazu. Sie hatte sich schon vor einer Weile mit
der unerfreulichen Tatsache abgefunden, dass er unglücklich verheiratet war.
»Neil und ich werden uns ein wenig unter die Gäste mischen. Viel
Glück, Fran«, flüsterte Connie und rauschte am Arm ihres Mannes davon.
Francesca blickte auf und sah, wie Bragg die letzten Schritte auf
sie zukam. Er wirkte unglaublich entschlossen. Zunächst sagte er nichts, sah
sie nur an, und sie versuchte vergebens, sich ein Lächeln abzuringen.
»Ist alles in Ordnung? Geht es Ihnen gut?« In Gesellschaft vermied
er das vertrauliche »Du«.
Es wurde ihr beklommen ums Herz. Wie immer galt seine größte Sorge
ihrem Wohlergehen. »Aber ja, es geht mir gut. Und Ihnen?« Ihr Blick wanderte an
ihm vorbei zu Leigh Anne hinüber, die sich nicht von der Stelle gerührt hatte
und sie scharf beobachtete.
Er zuckte mit den Schultern. »Sie haben urplötzlich die Stadt
verlassen. Sie waren vier Wochen fort. Ich habe etwas von einer kränkelnden
Freundin gehört. Francesca?« Er sah sie mit ernstem, forschendem Blick an.
Sie schluckte und errötete. »Ich musste einfach fort. Es gab keine
kränkelnde Freundin.«
»Verstehe.« Ein Muskel in seiner Wange begann zu zucken und seine
goldenen Augen verdüsterten sich. Stille trat ein. Francesca wusste nicht, was
sie sagen sollte.
»Ich habe Sie vertrieben«, sagte er finster. »Es tut
Weitere Kostenlose Bücher