Brenda Joyce
ihn geschehen
gewesen. Allerdings war er zu der Zeit noch gegen seinen Willen mit Sarah
Channing verlobt gewesen. Erst vor einigen Wochen hatte er die Verlobung gelöst, war aus dem väterlichen Unternehmen
ausgeschieden und aus dem Haus ausgezogen, das beim Bau der Cahillschen Villa
direkt nebenan für ihn errichtet worden war. Er wohnte nun im Fifth Avenue
Hotel. Es war schwer zu sagen, wer da mit wem nichts zu tun haben wollte – Evan
mit seinem Vater oder umgekehrt.
»In der Tat, das ist eine wirklich wichtige Angelegenheit«,
stimmte ihr Bartolla zu.
»Tausenden von Kindern wird eine Schulbildung
vorenthalten, auf die sie ein Recht haben, und das nur, weil es an Lehrern und
Schulen fehlt«, mischte sich Leigh Anne ein.
Francesca starrte die zierliche
Frau an. »Manche würden behaupten, dass Bildung ein Privileg ist, kein Recht«,
bemerkte sie, um sie auf die Probe zu stellen.
Leigh Anne zog die Augenbrauen hoch. »Aber Sie gehören gewiss
nicht dazu.«
Francesca hätte sie gern in eine Debatte
verwickelt, um herauszufinden, ob sie tatsächlich von ganzem Herzen Reformistin
war. »Ich glaube an unsere Verfassung«, sagte sie, ohne jedoch den Grund dafür
zu nennen.
»Ich
ebenfalls«, versetzte Leigh Anne lächelnd.
Francesca musterte sie, hielt ihre Meinung zur Bill of Rights jedoch
zurück. Sie fragte sich, ob Leigh Anne überhaupt eine Ahnung hatte, wovon sie
da sprach.
»Wir glauben doch alle an Freiheit und
Gleichheit«, sagte Bartolla seufzend. »Lassen Sie mich einmal diesen Ring
sehen, Francesca«, fügte sie hinzu. Und bevor Francesca Gelegenheit hatte zu
reagieren, fasste Bartolla ihre Hand und betrachtete eingehend den riesigen
Edelstein. Francesca spürte, wie ihre Wangen zu glühen begannen.
»Der ist gewiss von Asprey! Sie müssen sich
doch freuen wie eine Schneekönigin! Man stelle sich nur
einmal vor, Calder Hart an der Angel ...« Bartolla lachte herzlich. »Sie, ein
Blaustrumpf – lieber Himmel, eine Privatdetektivin –, haben es geschafft, den
schlimmsten Schürzenjäger der Stadt zur Strecke zu bringen! Es ist Ihnen
hoffentlich bewusst, dass sich rund hundert Frauen in diesem Moment
verschwören, um Ihr vorzeitiges Ableben herbeizuführen?« Sie lachte wieder,
schien sich köstlich darüber zu amüsieren.
»Das möchte ich bezweifeln«, murmelte Francesca und spürte, wie
ihre Wangen noch heftiger brannten.
»Er muss wirklich ganz vernarrt in Sie sein. Und ich kann mir auch
vorstellen, warum! Sie sind gewiss die erste Frau, von der er ein ,Nein` gehört
hat, nicht wahr?« Sie grinste über das ganze Gesicht.
»Wie bitte?«, entgegnete
Francesca verlegen. Wenn Bartolla wüsste, dass Hart derjenige war, der »nein«
gesagt hatte, und zwar zu Francescas größtem Unmut!
»Ich finde
es ganz wundervoll«, sagte Leigh Anne.
»Wer wird denn Calders Trauzeuge sein?«, erkundigte sich Bartolla
verschmitzt. »Nein, lassen Sie mich raten – Rick Bragg?«
Francesca
schnappte nach Luft.
»Na ja, die
beiden sind schließlich Brüder«, setzte Bartolla belustigt
hinzu.
Francesca fehlten die Worte.
Leigh Anne sagte mit ruhiger Stimme: »Du
weißt doch, dass die beiden nicht gut miteinander auskommen. Ich bin mir
sicher, dass Calder Rathe bitten wird, sein Trauzeuge zu sein.« Rathe Bragg,
Ricks leiblicher Vater, hatte sowohl Calder als auch Rick bei sich aufgenommen,
nachdem die Mutter der beiden gestorben war. Calder war damals zehn gewesen
und Rick zwölf. Rathe hatte die beiden zusammen mit seinen eigenen Kindern
großgezogen.
»Und du, du musst ja ganz aus dem Häuschen sein!«, rief Bartolla
und umarmte Leigh Anne. »Es hat sich ja einiges verändert, seit du wieder in
der Stadt bist, wie? Wann bist du noch einmal genau eingetroffen, meine Liebe?
Anfang Februar, nicht wahr?«
»Am fünfzehnten bin ich angekommen«, erwiderte
Leigh Anne mit einem etwas gezwungenen Lächeln. »Ich sollte mich jetzt wieder
meinen übrigen Gästen widmen. Meine Damen?« Mit einer auffordernden Geste
rauschte sie an ihnen vorbei.
Doch weder Francesca noch Bartolla rührten sich. Sie sahen Leigh
Anne nach, bis sie im Salon am Ende des Flurs verschwunden war, wo die anderen
Damen speisten. Bartolla seufzte. »Also, ich für meinen Teil habe genug von
diesem langweiligen Essen. Ich treffe mich mit Ihrem Bruder zum Tee. Anschließend begleitet er mich zu einem Einkaufsbummel.
Möchten Sie sich uns anschließen?«
Francesca schüttelte den Kopf. »Ich werde mich ein wenig unter die
Damen mischen. Geht es
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