Brenda Joyce
überwältigend gut. Das
Kleid betonte ihre perfekten Rundungen: die sehr schmale Taille, den vollen
Busen, die wohlgeformten Hüften. Francesca stellte sie sich in dem Negligee
vor, das sie im Boudoir entdeckt hatte, und wieder stieg Übelkeit in ihr auf.
Natürlich
war Bragg hingerissen von dieser Frau. Wie sollte es anders sein?
»Ich habe das Klopfen an der Haustür gehört
und Peter sagte, Sie seien hinaufgegangen, um die Mädchen zu sehen«, erklärte
Leigh Anne. Ihr Blick glitt forschend über Francescas Gesicht.
Francesca begriff voller Entsetzen, dass Leigh
Anne ihre Tränen bemerkt hatte. »Ja, ich hoffe, Sie haben nichts dagegen.« Als
wäre das alles nicht schon schlimm genug, klang ihre Stimme nun auch noch
belegt.
»Natürlich nicht. Dot, hör auf, mit Miss
Cahills Haaren zu spielen«, sagte Leigh Anne warnend, aber es war bereits zu spät:
Francescas Frisur löste sich, und ihr Haar ergoss sich in honigfarbenen Wellen
über ihre Schultern.
»Dot, das war nicht nett von dir«, sagte
Leigh Anne und nahm Francesca das Kind rasch ab, bevor diese protestieren
konnte.
Dot strahlte Leigh Anne an. »Mama spielen«, verlangte sie. »Mama
spielen!«
Francesca hatte das Gefühl, als würde ihr der Boden unter den
Füßen weggezogen.
»Nein, Dot, wir haben Gäste. Aber wenn du ein
braves Mädchen bist, wird Mrs Flowers nachher Katie und dich nach unten
bringen, und dann dürft ihr den Nachtisch mit uns essen.« Leigh Anne sprach mit
sanfter, aber fester Stimme und gab dem kleinen Mädchen einen Kuss auf die
Wange, wobei sie für einen Moment die Augen schloss.
Francesca starrte sie an und vergaß, sich die Tränen von den
Wangen zu wischen. Sie war fassungslos. Leigh Anne liebte Dot. Und Dot
nannte sie Mama ...
»Mrs Flowers? Der Nachtisch wird in einer halben Stunde serviert.
Ich würde mich freuen, wenn die Kinder herunterkämen«, sagte Leigh Anne und
stellte Dot mit einer anmutigen Bewegung auf dem Boden ab.
»Gewiss«,
erwiderte Mrs Flowers.
Dot klammerte sich an Leigh Annes Hand. »Fraka! Tisch! Fraka auch
Tisch!«
Francesca
vermochte kein Wort herauszubringen.
»Dot, Liebes, es heißt Nachtisch. Katie?«
rief Leigh Anne, nahm die strahlende Dot an die Hand und ging zur Kinderzimmertür.
»Hast du Miss Cahill schon begrüßt?«
Francesca tupfte sich rasch mit den
Fingerspitzen die Wangen ab und wandte sich dem Zimmer zu. Katie, die mit dem Rücken
zur Tür dagestanden hatte, drehte sich steif um. »Ja«, sagte sie ohne ein
Lächeln.
»Katie? Was hast du?«, fragte Leigh Anne, ließ Dot los und eilte
auf die Sechsjährige zu. Sie legte einen Arm um sie. »Was ist passiert?«
Katie blickte zu ihr auf und sagte: »Ich will nicht, dass sie
herkommt.«
»Wie bitte?« Leigh Anne strich ihr übers Haar. »Was redest du denn
da, mein Schatz?«
Katie warf der entsetzten Francesca einen bösen Blick zu. »Sag
ihr, sie soll weggehen.«
Leigh Anne richtete sich erschrocken auf und sah sich nach
Francesca um. Dann wandte sie sich erneut an Katie. »Katie, eine Dame vergisst
niemals ihre Manieren. Das war mehr als unhöflich. Bitte entschuldige dich bei
Miss Cahill. Und hast du etwa vergessen, wie freundlich Miss Cahill zu euch
gewesen ist? Bitte entschuldige dich.«
Katie biss sich auf die Lippe, sah Francesca wütend an und sagte
sichtlich ohne Überzeugung: »Entschuldigung.«
Leigh Anne starrte auf das Kind
hinunter und rang offenbar mit sich, ob sie Katie jetzt ins Gebet nehmen sollte
oder später. Dann legte sie dem Mädchen eine Hand auf die magere Schulter und
sagte: »Ich weiß, was du in den letzten zwei Monaten durchgemacht hast. Wir
werden später darüber reden, wenn die Damen gegangen sind.«
Katie nickte, plötzlich den Tränen nahe, und zu Francescas
Bestürzung warf sie sich in Leigh Annes Arme und klammerte sich schluchzend an
sie.
Leigh Anne wiegte sie besänftigend hin und her und murmelte: »Ist
ja schon gut, mein Engel, ist ja schon gut.«
Francesca wich zurück. Das war alles ihre Schuld. Katie hatte sich
bereits vor dem Mord an ihrer Mutter allein und verlassen gefühlt, da Mary
immer viel arbeiten musste, und nach ihrem Tod waren diese Gefühle eskaliert.
Francesca begriff, dass Katie sich nun auch von ihr im Stich gelassen fühlte,
da sie für einen ganzen Monat verschwunden gewesen war. »Katie, es tut mir
leid«, hörte Francesca sich sagen. »Ich musste für eine Weile verreisen. Es tut
mir ja so leid.«
Katie hörte auf zu weinen, schniefte nur noch ein wenig
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