Brenda Joyce
ziehen, ihn zu
heiraten?
»Francesca? Werden Sie uns Gesellschaft leisten? Du meine Güte, was
ist denn los?«, fragte Leigh Anne, die ein Silbertablett mit Gebäck trug.
Francesca
blinzelte. »Es geht mir gut«, brachte sie heraus.
Leigh Anne starrte sie an.
»Was immer Bartolla zu Ihnen gesagt haben mag, ich an Ihrer Stelle würde mir
keine allzu großen Gedanken darüber machen.«
Francesca schenkte Leigh Anne ein schwaches Lächeln. »Ach, nein?«
»Bartolla findet großen Gefallen daran,
Konflikte zu schüren.«
Francesca wich dem Blick der anderen Frau
aus. Sie beabsichtigte nicht, Leigh Anne zu gestehen, dass der Konflikt
bereits existierte und Bartolla lediglich Francescas schlimmste Ängste
ausgesprochen hatte.
»Sie war diejenige, die mir nach Boston
geschrieben und mich gedrängt hat, umgehend zurückzukehren. Sie hat mich davon
in Kenntnis gesetzt, dass mein Mann sich in Sie verliebt hatte«, erklärte
Leigh Anne.
»Das war
Bartolla?«, stieß Francesca hervor.
Leigh Anne
nickte ernst.
Ehe Francesca das Ausmaß dieses Verrats zu
begreifen vermochte, wurde die Haustür geöffnet, und Bragg trat ein. Als er
die beiden Frauen erblickte, blieb er wie angewurzelt stehen.
»Rick?«, fragte Leigh Anne überrascht. Sie warf Francesca einen
seltsamen Blick zu und eilte, immer noch mit dem Desserttablett in der Hand,
auf ihn zu. »Was führt dich denn mitten am Tag nach Hause? Ich gebe heute
dieses Essen, von dem ich dir erzählt habe.«
»Ich weiß.« Er sah seine Frau
nur kurz an, dann wanderte sein Blick zu Francesca. »Ich muss mit Francesca
reden.«
Francesca hatte sich bereits so etwas gedacht. Eine eigenartige
Anspannung überkam sie.
»Mit Francesca?« Leigh Anne stellte das Tablett auf dem kleinen
Tisch am Eingang, unter dem Wandspiegel, ab und sah abwechselnd ihren Mann und
Francesca an. »Aber woher wusstest du denn, dass sie hier sein würde?«
»Wir arbeiten an einem Fall«, erklärte er,
ohne Leigh Anne dabei anzusehen.
Francesca
ging einen Schritt auf ihn zu. »Was ist geschehen?«
»Ich habe meine Leute losgeschickt, um Tom Smith zu verhaften. Er
ist tot, Francesca.«
Kapitel 6
FREITAG, 28. MÄRZ 1902 – 15:30 UHR
Francesca
packte Braggs Mantelärmel. »Wie bitte? Er ist tot? Soll das heißen, er wurde
ermordet?«
»Er wurde von einem Bewohner des Viertels in einer Gasse zwischen
der Tenth und der Eleventh Street gefunden. Mit aufgeschlitzter Kehle.«
Francesca schnappte nach Luft. Ihre Gedanken überschlugen sich.
»Möchtest du dich vielleicht mit Francesca ins Esszimmer
zurückziehen?«, schlug Leigh Anne vor. »Dort könnt ihr ungestört miteinander
reden.«
Bragg nickte, ohne den Blick von Francesca zu wenden, und ging
voraus. Francesca folgte ihm. Nachdem Leigh Anne die massive Eichentür hinter
ihr geschlossen hatte, sagte sie: »Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass
dieser Mord etwas mit dem Verschwinden seiner Tochter oder mit dem von Emily
zu tun hat. Wir wissen ja nicht einmal, ob die Fälle der beiden Mädchen
zusammenhängen.«
»Gegenwärtig nicht. Der Daimler steht draußen, ich habe den Motor
laufen lassen. Sofern du nicht unbedingt an diesem Essen teilnehmen musst,
würde ich vorschlagen, du holst deinen Mantel.«
Francesca lächelte grimmig. »Zur Schule?«
»Das halte ich für das Beste«, erwiderte er und rang sich endlich
auch ein Lächeln ab.
Francesca eilte in den Flur hinaus. »Peter!
Würden Sie mir bitte meinen Mantel holen – den mit den Dreckspritzern?« Er nickte
und ging zum Schrank.
Leigh Anne trat aus dem Salon und kam langsam den Flur entlang auf
Francesca und Bragg zu. Ein Anflug von Besorgnis lag in ihrem Blick. »Ich
nehme an, dies ist ein Notfall?«
Endlich ließ er sich dazu herab, sie
anzusehen. »Mord ist für gewöhnlich ein Notfall«, versetzte er mit
zusammengekniffenen Augen.
»Ich frage nur, weil wir heute Abend bei Ron Harris zum Dinner
eingeladen sind.« Harris war der Stadtkämmerer. »Bürgermeister Low wird auch
dort sein. Und Robert Fulton Cutting ebenfalls.«
Bragg
nickte verdrießlich. »Um welche Uhrzeit?«
»Sieben.«
»Wir
treffen uns dort«, sagte er.
»Wirst du
dich verspäten?«
»Ich werde
versuchen, es zu vermeiden.«
Francesca hatte ihren Mantel angezogen und
beobachtete die zwei. Sie taten ihr beide schrecklich leid, Bragg hätte sie
allerdings am liebsten gegen das Schienbein getreten. Seine Frau benahm sich
anständig und höflich, ja sogar großzügig im Hinblick auf die Ermittlung, an
der er
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