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Brenda Joyce

Brenda Joyce

Titel: Brenda Joyce Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deadly 01 - Lügen
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haben?
    Sie sah eine Reihe winziger Ameisen vor sich,
die durch den Sand auf ihr Nest zustrebten, und schüttelte verwirrt den Kopf.
Warum in aller Welt war der Brief auf dem Schreibtisch ihres Vaters und nicht
bei den Burtons hinterlassen worden? Hatte der Verbrecher womöglich gehofft,
damit eine falsche Spur zu legen?
    Doch es gab noch eine andere Möglichkeit. Was
wäre, wenn der Entführer den Umschlag gar nicht auf diesen Schreibtisch
gelegt hatte? Was, wenn sie früher am Tag durch den Briefschlitz der Haustür
geworfen worden war? Fälschlicherweise, wie Bragg vermutet hatte?
    Francesca legte die Fingerspitzen an die Schläfen und ging in der
Bibliothek auf und ab. Aber hieße das nicht, dass die Nachricht vor der
Entführung hinterlassen worden war? Das wiederum
kam Francesca unwahrscheinlich vor. Dennoch war es eine Möglichkeit. In
diesem Fall wäre sich der Verbrecher seiner Sache ausgesprochen sicher gewesen
– doch es hieße zugleich auch, dass es sich um einen Dummkopf handelte. Denn er
hatte die Nachricht ja in den falschen Briefkasten geworfen!
    Francesca wurde ganz aufgeregt. Letzteres schien eine plausible
Erklärung zu sein – aber das bedeutete, dass sie es doch nur mit einem einzigen Verbrecher zu tun hatten.
Sie konnte es kaum erwarten, Bragg von ihrer Theorie zu erzählen. Doch
als sie gerade die Bibliothek verlassen wollte, zögerte sie. Vielleicht war es
besser, ihre Vermutungen noch für sich zu behalten. Schließlich schien er
keinen Wert auf ihre Hilfe zu legen.
    Francesca ließ ihren Blick durch den großen, luxuriös ausgestatteten
Raum wandern. Der Lieblingssessel ihres Vaters stand im rechten Winkel zu dem
wuchtigen Kamin. Daneben befand sich ein runder Tisch mit Leder-Intarsien und
zu seinen Füßen ein Zeitungsständer.
    Francesca ging zu dem Sessel,
setzte sich und zog ein halbes Dutzend Zeitungen, darunter Harper's Weekly, die Times und den Herald hervor. Instinktiv öffnete sie
zuerst Harper's Weekly, die sie jeden Montag erhielten.
    Sie benötigte kaum eine Minute, um die
Karikatur aufzuspüren, und wäre trotz des Kummers, den sie wegen der
Entführung empfand, beinahe in Kichern ausgebrochen.
    Die Zeichnung zeigte Rick Bragg als Cowboy mit Stiefeln, ledernen
Überziehhosen, einer Weste, einem bunten Halstuch
und Cowboyhut. Er ritt einen alten Klepper und feuerte gleichzeitig aus zwei
Revolvern. Der Klepper war vor ein Polizei-Fuhrwerk gespannt, und in diesem
Fuhrwerk saßen mit panischem Blick der Bürgermeister, ein weiterer Mann mit
einer Dienstmarke, auf der »Polizeichef« stand, und zwei uniformierte
Polizisten mit ihren Lederhelmen. Aus den Taschen der drei Polizeibeamten
quollen dicke Geldbündel hervor. Die Bildunterschrift lautete: »Wird
Commissioner Bragg die Polizei auf Trab bringen? Reformieren oder nicht, das
ist hier die Frage!«
    Der Zeichner hatte Braggs Gesichtsausdruck
perfekt getroffen. Er wirkte von einer grimmigen Entschlossenheit, als beabsichtige
er, jedem widerwilligen Polizisten einzeln Beine zu machen.
    Francesca legte die Zeitung auf dem kleinen
Tisch ab und dachte wieder an die Entführung des kleinen Jonny Burton. Wie
mochte es nur weitergehen? Die Tatsache, dass es bisher keine
Lösegeldforderung gegeben hatte, ließ ihr keine Ruhe. Und dann diese
eigenartige Nachricht ...
    Die Liste mit den Namen der Gäste des Balls befand sich zweifellos
im Salon ihrer Mutter auf ihrem Sekretär. Francesca zögerte einen einzigen
Herzschlag lang, dann machte sie sich auf den Weg.
    Durch die geöffnete Tür, die den Salon mit
dem Schlafzimmer verband, sah Francesca, dass ein Dienstmädchen gerade das Bett bezog. Francesca ignorierte das Mädchen
und schritt geradewegs auf den Schreibtisch aus dem achtzehnten Jahrhundert
zu. Sie setzte sich und durchsuchte die Briefe und Papiere, die darauf lagen.
Als sie die Gästeliste entdeckt hatte, überflog sie sie rasch.
    Es war nicht auszuschließen, dass der Täter
unter den Gästen gewesen war, auch wenn die Wahrscheinlichkeit eher dafür
sprach, dass es sich um einen armen Dienstboten handelte, der auf ein Lösegeld
aus war. Oder um einen Gauner aus der Bowery, der ins Villenviertel gekommen
war, um sich ein Opfer unter den Reichen zu suchen. Dennoch, sollte sie nicht
besser eine Abschrift der Gästeliste anfertigen? Für den Fall, dass sie ihr
irgendwann einmal nützlich sein könnte?
    Francesca ging davon aus, dass Bragg noch etliche Stunden im Hause
der Burton verbringen würde, schließlich hatte er

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