Brenda Joyce
Fran.« Die beiden waren für einen
Moment im Erdgeschoss stehen geblieben und Connie gab ihrer Schwester einen
Kuss auf die Wange.
»Sie strahlen nicht vor Aufregung – das ist
die blanke Angst, die ihnen diesen Schimmer verleiht«, gab Francesca atemlos
zurück. Sie vernahm Harts tiefe Stimme und Julias zwitschernde Antwort – wie
glücklich ihre Mutter klang.
»Dummkopf«, schalt Connie sie in nicht minder
glücklichem Tonfall. Dann schob sie ihre Schwester sanft in Richtung des
Salons. Als Francesca über die Schwelle trat, erblickte sie ihn sofort.
Er hatte in einem Sessel gegenüber ihren
Eltern Platz genommen – Andrew Cahill war inzwischen ebenfalls zugegen – und
schien ausgesprochen entspannt, räkelte sich beinahe darin. Er sah in seinem
Frack verteufelt gut aus und lächelte gerade über etwas, das ihre Mutter gesagt
hatte. Francesca nahm sich vor, für den Rest des Abends jede verbotene
Erinnerung aus ihrem Gedächtnis zu verbannen.
Hart sah sie und sprang auf.
Francesca stockte. Ihre Blicke begegneten
sich.
Einen Moment lang meinte sie, ein kleines, süffisantes Grinsen in
seinen Zügen zu entdecken, und sie dachte erschrocken: Er weiß Bescheid! Er
hatte sie gesehen, als Daisy mit ihrer Verführung begann, hatte die ganze Zeit
gewusst, dass sie anwesend war, während er mit seiner Mätresse schlief.
Er lächelte noch immer, aber nun las sie in seinem Blick nichts
als Herzlichkeit und Bewunderung. »Guten Abend, Francesca.«
Francesca stand wie angewurzelt. Hatte sie
sich getäuscht?
Sie bildete sich das alles gewiss nur ein.
Er kam auf sie zu. »Warum sind Sie so
blass?«, fragte er mit so leiser Stimme, dass es gewiss niemand sonst hören
konnte. »Sie sehen ja aus, als würde man Sie zur Guillotine führen.« Er
begrüßte sie mit einem höflichen Handkuss.
Sie atmete tief durch. In ihrem Kopf sah sie
Bilder von ihm in all seiner Großartigkeit, während er unaussprechliche Dinge
mit Daisy tat. Jeder Muskel in ihrem Körper spannte sich vor Verlangen an und
sie spürte, wie sie eine Welle von Hitze durchströmte. Wenn sie ihn
heiratete, würde er diese Dinge mit ihr tun. Francesca schob den Gedanken
entgeistert beiseite. »Connie hat mich herausgeputzt. Ich fühle mich wie eine
Puppe. Gar nicht mehr wie ich selbst.«
Das war eine schreckliche Lüge. In
Wahrheit gefiel ihr diese elegante und sinnliche Frau, in die sie sich verwandelt
hatte.
Sein Lächeln wurde breiter. Sein Blick war so unglaublich
herzlich. »In Marineblau sehen Sie ebenso wunderschön aus, aber ich bevorzuge
die Verführerin, die es nicht wagt, mir heute Abend in die Augen zu sehen.«
Sie zuckte zusammen und sah ihn an – seine Augen blitzten vor
Lachen. Er wusste doch Bescheid! Oder nicht?
»Ich fürchte mich beinahe davor, Sie zu
fragen, warum Sie mich mit einer solchen Beklommenheit ansehen«, sagte er und sein
Lächeln erstarb. »Stimmt etwas nicht?«
»Ich habe mich arg verspätet«, brachte sie hastig vor. »Sie
mussten eine halbe Stunde auf mich warten.«
Seine gute Laune kehrte zurück. »Sie haben sich zweifellos
verspätet, weil Sie durch die Arbeit an Ihrem Fall wieder einmal die Zeit
vergessen hatten und erst in der letzten Sekunde zur Tür hereingestürzt kamen.
Andere Frauen dagegen verspäten sich mit Absicht.« Es schien ihm gar nichts
auszumachen, dass sie ihn hatte warten lassen. Er senkte die Stimme und
murmelte: »Auf manche Dinge lohnt es sich zu warten.«
Sein Blick faszinierte sie. Bezog er sich darauf, dass er auf sie
gewartet hatte, oder darauf, dass sie es kaum erwarten konnte, mit ihm zu
schlafen? War dies eine arglose Bemerkung oder spielte er etwa darauf an, dass
sie ihm und Daisy heute Nachmittag nachspioniert hatte?
Er wandte sich Connie zu, die hinter ihr stand, und begrüßte sie
freundlich. Francesca atmete auf, als er sich endlich abwandte. Sie drehte
sich zu ihrer Schwester um und formte mit den Lippen die Worte: Weiß er es?
Connie schüttelte warnend den Kopf, legte dann ihren Zeigefinger
auf die Lippen, womit sie Francesca offenbar bedeuten wollte, dieses verbotene
Thema mit keinem Wort zu erwähnen.
Julia und Andrew hatten sich ebenfalls erhoben. Julias Ausdruck
glich dem einer Katze, die gerade die Sahneschüssel ausgeleckt hatte, während
Andrew verärgert und unzufrieden wirkte. Aber Francesca wusste ja, dass er Hart
wegen seiner Frauengeschichten und seines oft unkonventionellen Benehmens nicht
leiden konnte. »Ich wünsche euch einen vergnüglichen Abend«, sagte
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