Brenda Joyce
den
Mund zu nehmen. Es war ein Akt, den die meisten Damen von Stand verabscheuten,
aber es war ganz leicht gewesen, es ihr beizubringen. Er spürte, wie er steif
wurde. Er würde niemals vergessen, wie es sich angefühlt hatte, wenn sie ihren
Mund um sein Glied schloss.
»Warum versuchst du mir zu widerstehen? Ist
es wegen Miss Cahill?«, fragte sie mit einem Anflug von Ernsthaftigkeit.
»Ja.« Er drängte sich an ihr vorbei, wobei er sie und sich selbst
und seine lästigen Erinnerungen verfluchte.
Sie folgte ihm nicht. »Du bist ein Narr. Willst du ihr etwa treu
bleiben?«, rief sie ihm ungläubig nach.
»Ja«, erwiderte er noch einmal,
ohne sich umzusehen. »Aber das ist gegen unsere Abmachung!«, schrie sie. »Zum
Teufel mit der Abmachung«, versetzte er und stapfte allein die Treppe hinauf.
SAMSTAG, 22. FEBRUAR 1902 – 9:00 UHR
Bragg saß mit aufgekrempelten Hemdsärmeln an seinem Schreibtisch und
erweckte den Eindruck, als hätte er die ganze letzte Nacht kein Auge zugetan.
Francesca betrachtete ihn für einen Augenblick forschend. Sie verspürte Mitleid
mit ihm, denn sie wusste nur zu gut, was er gerade durchmachen musste. Als er
aufblickte und sie bemerkte, lächelte er.
Dieses Lächeln veränderte sein Gesicht, brachte es zum Strahlen.
Sie lächelte ebenfalls, schob für den Moment jeden Gedanken an seine Vorwürfe
gegenüber Hart und die erbitterte Rivalität der Halbbrüder beiseite und betrat
mit der Sun und der Times in der Hand das Büro.
Er lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück,
dessen Sitzfläche und Lehne aus Rohrgeflecht bestanden. »Wie kommt es, dass
Sie wirken, als hätten Sie acht Stunden erholsamen Schlafes hinter sich,
während ich heute Morgen so mitgenommen aussehe wie ein Landstreicher?« Dabei
lag ein warmer und liebevoller Ausdruck in seinen Augen.
Sie erwiderte: »Ich muss zu meiner Schande gestehen, trotz der
schrecklichen Ereignisse des gestrigen Abends bin ich sofort ins Bett gefallen,
als ich nach Hause kam, und habe geschlafen wie ein Stein.«
Sein Lächeln erstarb, aber er fuhr fort, sie forschend anzusehen.
Sie wusste, was ihm Kopfzerbrechen bereitete. »Hart hat sich wie
ein perfekter Gentleman benommen – auch wenn wir uns schrecklich gestritten
haben.«
Bragg wich ihrem Blick aus. Dann sagte er: »Sie werden wieder mit
ihm ausgehen, nicht wahr?«
Francesca legte die Zeitungen auf seinen
Schreibtisch. Sie hatte nicht vor, über das Thema Calder Hart zu reden. Ganz
besonders deshalb nicht, weil sie keine Ahnung hatte, wie es nun weitergehen
sollte. Außerdem hatten sie und der Commissioner heute Morgen einige wichtige
Dinge zu besprechen. »Kurland hat wieder zugeschlagen«, verkündete sie in
resigniertem Ton. Eigentlich hatte sie gewusst, dass es nur eine Frage der Zeit
war. Kurland schien nun einmal fasziniert von ihrer Arbeit als Kriminalistin
zu sein, was bedeutete, dass er immer irgendwo im Verborgenen lauerte und auf
Stoff für seine Schlagzeilen wartete.
»Ich habe es bereits gelesen«, erwiderte Bragg. Die Schlagzeilen
sprangen ihnen ins Auge. Die der Sun lautete:
SCHAUSPIELERIN
ERWÜRGT –
EHEMALIGE MÄTRESSE VON EVAN CAHILL
Die
Schlagzeile der Times war weniger schlimm. Dort hieß es:
ZWEI
FRAUEN OPFER DES WÜRGERS,
DRITTE WIRD VERMISST
»Wir sind Kurland gestern Abend in einer Kunstgalerie begegnet«, berichtete Francesca und nahm Platz. »Ich habe mich geweigert,
mit ihm zu reden, woraufhin er sich auf Sarah gestürzt hat. Sarah wusste nichts von
Evans Beziehung zu Grace Conway. Sie war furchtbar aufgebracht, als ihr klar
wurde, dass Evans Mätresse erwürgt worden war und es sich nicht um irgendeine
anonyme Schauspielerin handelte.«
»Das tut mir leid für Sarah. Insbesondere in Anbetracht der
Ereignisse der gestrigen Nacht.«
»Mir auch«, erwiderte Francesca bedrückt.
»Ich war heute noch nicht bei ihr, um sie nach den Worten des Würgers zu fragen
– ich denke, sie sollte heute erst einmal ausschlafen.«
»Da stimme ich Ihnen zu. Die beiden Polizisten, die die Villa der
Channings bewachen sollten, haben erklärt, sie hätten ihre Posten auf Befehl von Sergeant
Henley verlassen.« Bragg blickte sie mit seinen bernsteinfarbenen Augen an.
»Und?«,
fragte sie gespannt.
»Sergeant Henley hat erklärt, einen solchen Befehl nie erteilt zu
haben. Die beiden Streifenpolizisten schwören, ein anderer Beamter habe ihn übermittelt. Ein Officer, den sie aber
nicht kennen und den wir bisher nicht ausfindig machen konnten. Angeblich
lautet sein
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