Brenda Joyce
gelegen.
»Haben Sie nicht gehört, was ich gesagt habe?
Wenn ihn die Polizei hier findet, werden die mich doch sofort einbuchten!«
Georgette schien einem hysterischen Anfall nahe zu sein.
Francesca tat einen tiefen Atemzug, um ihre
Nerven zu beruhigen. Dann warf sie einen weiteren Blick auf den Toten zu ihren
Füßen, und in diesem Moment hätte sich ihr beinahe der Magen umgedreht.
Natürlich hatte sie schon Leichen gesehen, aber die waren mit ihrem
Sonntagsstaat bekleidet gewesen und hatten in einem wunderschönen Sarg gelegen.
»Miss de Labouche, wer ist der Mann? Haben Sie ihn umgebracht?«
»Sehen Sie! Selbst Sie glauben, dass ich es getan habe!« Georgette
begann mit wogendem Busen in dem Zimmer auf und ab zu schreiten.
Francesca musterte den toten Mann etwas genauer. Sie schätzte ihn
auf Anfang fünfzig. »Ist das da ein Loch in seinem Hinterkopf?«, fragte sie,
während sie gegen den Drang ankämpfte, sich zu übergeben. »Ist er erschossen
worden? Oder mit einem Knüppel erschlagen?«
Georgette fuhr herum. »Ich hätte Paul so etwas niemals angetan.
Er war ein sehr, sehr lieber Freund.«
Francesca fiel auf, dass der Mann bis hin zu
seinen glänzenden, geschnürten Halbschuhen ausnehmend gut gekleidet war. Er
trug einen dunklen Wollanzug, und aus der dazu passenden Weste war eine goldene
Taschenuhr herausgerutscht. Der Anzug, die Uhr und die Schuhe waren von einer
sehr guten Qualität. Der Mann hatte seinen Mantel und den Hut zusammen mit
einem Gehstock mit Silberspitze auf einem Sessel abgelegt. »Ein sehr, sehr
lieber Freund«, wiederholte Francesca. »Waren Sie seine Mätresse?«
Georgette wurde nicht einmal rot. »Was denn sonst?«, gab sie
zurück. »Werden Sie mir jetzt dabei helfen, die Leiche verschwinden zu lassen,
oder nicht?«
»Jetzt wollen Sie sie sogar verschwinden lassen?«
Francesca starrte die Frau mit offenem Mund an. »Miss de Labouche, dieser Mann
hier ist keine Maus in einer Falle. Er ist ein Mensch und das Opfer eines
schrecklichen Verbrechens. Wir müssen die Polizei verständigen. Ein Mann ist
ermordet worden. Und allem Anschein nach kaltblütig, wie ich hinzufügen darf.«
»Natürlich war es kaltblütig!«, rief
Georgette. Sie ließ sich stöhnend in einen roten Samtsessel sinken und verbarg
das Gesicht in den Händen.
Francesca schritt zu Georgette
hinüber und legte ihr beruhigend die Hand auf die mollige Schulter. »Es tut
mir Leid, dass Sie einen solchen Verlust erleiden mussten«, sagte sie leise.
Georgette stöhnte erneut und
sagte: »Ich wandere geradewegs ins Stadtgefängnis, so viel ist sicher!«
»Niemand hat Sie irgendeines Verbrechens
beschuldigt, Miss de Labouche. Was ist denn eigentlich geschehen?« Francesca
war sich bewusst, dass sie nicht viel Zeit hatte, um ihre Fragen zu stellen.
Als eine wahrhaft ehrenwerte Bürgerin hätte sie ohnehin gleich loseilen und
die Polizei verständigen sollen. Doch sie zog es vor, zunächst einmal ein paar
Fragen zu stellen – bevor die Polizei ihre Ermittlungen aufnahm.
Einen Moment lang musste sie an Bragg denken,
und es versetzte ihr einen Stich. Sie hatten recht eng zusammengearbeitet, um
die Entführung von Jonny Burton aufzuklären, und Bragg hatte zugegeben – wenn
auch widerstrebend –, dass Francesca ihm eine große Hilfe gewesen war. Ob sie
wohl auch dieses neue, noch niederträchtigere Verbrechen gemeinsam aufklären
würden?
Georgette blickte auf. »Ich war in der
Badewanne«, begann sie zu erzählen. »Paul kommt jeden Dienstag und Freitag am
Abend vorbei. Sein voller Name lautet Paul Randall«, fügte sie hinzu. »Ich habe
gehört, wie er hereinkam. Zumindest nahm ich an, dass er es war. Ich habe
darauf gewartet, dass er nach oben kommen würde, denn ich hatte eine
Überraschung für ihn.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Eine Überraschung?«, fragte Francesca. Hätte
sie doch nur einen Notizblock bei der Hand! Sie nahm sich vor, am nächsten Tag
als Erstes das nötige Werkzeug für ihre neue Tätigkeit zu besorgen.
»Ich war in der Badewanne, Miss Cahill. Mit Champagner und ...
einigen Dingen.«
»Oh!«, hauchte Francesca und erstarrte unwillkürlich. »Welcher
Art von Dingen?«
Georgette blinzelte. »Spielzeug ... nun ja, Sie wissen schon.«
Francesca hatte das Gefühl, als habe sich ihr Herzschlag verlangsamt.
»Spielzeug? Ich verstehe nicht ...«
Georgette seufzte verzweifelt, schüttelte den
Kopf und erhob sich. »Na, Spielzeug eben. Meine Güte, Ihr Frauen von Stand seid
doch alle
Weitere Kostenlose Bücher