Brenda Joyce
hatte ich doch
Recht. Ich kenne dich einfach in- und auswendig. Hart elf Punkte, Bragg fünfhundert.
Du bist also hergekommen, um zu sehen, ob dein unmoralischer Bruder ein Alibi
hat.«
»Und? Hast du eins?«, fragte Bragg und lächelte betont freundlich.
»Ich fürchte, ja. Damit verderbe ich dir natürlich jetzt den Tag.
Tut mir wirklich Leid.«
Bragg funkelte seinen Halbbruder wütend an.
»Lass uns die Sache endlich vom Tisch bekommen, ja? Ich habe wirklich Besseres
zu tun, als mich mit dir zu streiten. Sag mir einfach, wo du gestern Abend um
die Zeit gewesen bist und wer es bezeugen kann.«
»Na schön.« Hart nahm erneut einen Schluck aus seinem Glas. »Ich
war bis um zehn nach sechs in meinem Büro. Mein Sekretär kann das bezeugen.
Sein Name ist Brad Lewis.«
»Und
danach?«
»Danach war ich in meiner Kutsche, mit meinem Kutscher, Raoul. Er
hat mich gegen sieben Uhr abgesetzt.«
Bragg kniff
die Augen zusammen. »Wo?«
»Vor einer Wohnung auf der Third Avenue Ecke Forty-eighth Street.«
Hart grinste.
»Lass mich
raten. Bei deiner Mätresse?«
»Ach du liebe Güte, nein! Die lebt natürlich
im Villenviertel, an der Fourth Avenue. Die Namen der Damen, die ich besucht habe,
lauten Rose und Daisy. Ihr Nachname ist Jones, glaube ich. Sie sind
Schwestern.« Er lachte. »Das behaupten sie wenigstens.«
»Sie sind
also Huren?«
Hart zuckte mit den Schultern. »Sie kennen sich aus, und das ist
es doch, was zählt.«
»Um welche Uhrzeit hast du diese ... Schwestern ... wieder
verlassen?«
»Ein paar Minuten vor neun. Ich war auf Whites kleiner Feier,
schon vergessen? Die hat um neun Uhr angefangen. Ich war sogar recht pünktlich
dort. Ich bin bis Mitternacht geblieben und dann nach Hause gefahren.«
»Wann hast du Randall zum letzten Mal
gesehen?«, fragte Bragg.
»Dienstagabend.«
Hart zuckte erneut mit den Schultern.
»Ach,
wirklich? Ich hatte ja keine Ahnung, dass ihr beide Freundschaft geschlossen
hattet.«
»Hatten wir auch nicht.« Hart sah auf seine Uhr. »Ich habe noch
einen Termin in der Innenstadt, Bragg.«
»Wir sind gleich fertig. Warum hast du dich mit ihm getroffen, und
wo hat dieses Treffen stattgefunden?«
»Da du es ohnehin erfahren wirst, werde ich
dir die Zeit und das Herumschnüffeln ersparen. Wir haben uns zum Abendessen im
Republican Club getroffen, wo er Mitglied war. Warum ich mich mit ihm getroffen
habe, geht dich allerdings nichts an. Das Ganze hat übrigens nicht lange
gedauert.« Er lächelte, als amüsiere ihn die Erinnerung daran.
»Deine Beziehung zu ihm geht mich sehr wohl etwas an, denn er ist
ermordet worden, und du stehst ganz oben auf der Liste der Verdächtigen.« Bragg
lächelte betont vergnügt.
»Wie loyal
du doch bist!«
»Wir wissen beide, wie sehr du ihn gehasst
hast. Ich frage mich nur, ob du ihn genug gehasst hast, um ihn umzubringen?«
»Ich habe meine Gefühle nicht versteckt, das ist richtig. Aber das
tue ich ja selten.« Hart leerte sein Glas. »Und jetzt muss ich gehen. Oh – und
die Antwort lautet übrigens nein.«
»Komm nicht auf die Idee, die Stadt zu verlassen, Hart, du gehörst
zum Kreis der Verdächtigen. Andernfalls werde ich den Bezirkspolizeichef zu
Rate ziehen und dich in Gewahrsam nehmen lassen müssen.«
Hart machte eine Geste, als zittere er vor Angst. »Ach du meine
Güte, das wäre ja furchtbar!«
Bragg ignorierte seine Antwort und fuhr fort: »Gib mir dein Wort,
dass du die Stadt nicht verlassen wirst, bis ich dir die Erlaubnis dazu gebe.«
Hart starrte ihn an. »Na schön, du hast es.
Aber es fällt mir schwer zu glauben, dass mein Wort in deinen Augen irgendetwas
zählt.«
»Das tut es gemeinhin auch nicht. Aber dein
Vater wurde kaltblütig ermordet, Hart. Und ganz gleich, wie sehr du auch behaupten
magst, ihn verachtet zu haben – sollte dich an seinem Tod keine Schuld treffen
und irgendwo tief in deinem bösen Herzen so etwas wie ein Gewissen verborgen
liegen, so dürfte dir mehr als jedem anderen daran liegen, dass der Fall aufgeklärt
wird.« Bragg nickte und marschierte aus dem Salon.
Hart starrte ihm nach. »Da täuschst du dich«,
murmelte er kaum hörbar in sich hinein.
Hinter der Tür
richtete sich Francesca atemlos auf und blickte ihre Schwester an, die sie mit
großen Augen ansah. Verdächtigte Bragg Hart wirklich, seinen eigenen Vater
getötet zu haben? Und warum konnten sich die Halbbrüder wohl nicht leiden?
»Mr Hart tut mir Leid«, flüsterte Connie.
Francesca erstarrte. Es gefiel ihr nicht,
dass ihre
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