Brenda Joyce
ins Zimmer traten.
»Wo sind sie?«, erklang Braggs Stimme.
Francesca zuckte zusammen. Das durfte doch alles nicht wahr sein!
Ausgerechnet Bragg!
»Das Zimmer ist leer, Sir. Vielleicht haben wir das falsche
erwischt.«
»Durchsuchen Sie es«, fuhr ihn Bragg an, dann drehte er sich um
und marschierte hinaus.
Francesca wagte kaum zu atmen. Sie spürte, wie ihr am ganzen
Körper der Schweiß ausbrach.
Möbelstücke wurden hin und her gerückt; eine Schranktür quietschte
leise beim Öffnen. Francesca schloss die Augen und betete, dass man sie nicht
finden würde.
Als es eine Weile lang still blieb, öffnete sie langsam die Augen
und erblickte einen Polizisten, der auf allen vieren vor dem Himmelbett kniete
und sie angrinste. »Ich hab hier was gefunden, Harry«, sagte er.
Kapitel 9
Sie tun mir
weh!«, protestierte Francesca, als sie der Polizist unsanft am Ellenbogen
ergriff und die Treppe hinunterzerrte.
»Halt die Klappe!«, erwiderte der Mann, dessen Atem säuerlich
roch. »Sonst zeig ich dir mal, was ein echter Kerl ist.« Er zwinkerte ihr
anzüglich zu.
Francesca begriff, dass er sie irrtümlich für eines der Mädchen
hielt. »Halten Sie mich etwa für eine ...?«, keuchte sie, außerstande, den
Satz zu beenden. »Ich bin eine Dame!«
Er lachte. »Und ich bin der Weihnachtsmann.«
Beschämt stolperte Francesca die letzten Stufen hinunter. »Lassen
Sie Miss Cahill umgehend los!«
Der Polizist, der Francesca am Ellenbogen festhielt, ließ seine
Hand so schnell fallen, als sei er von einer Kugel getroffen worden.
Bragg stand in der weit offen stehenden Haustüre, sodass seine
Silhouette vom Licht der Wintersonne umrahmt wurde. Francesca konnte erkennen,
dass hinter ihm auf der Straße zahlreiche notdürftig bekleidete Frauen in ein
Polizei-Fuhrwerk verfrachtet wurden. Die meisten von ihnen schrien und protestierten.
Mrs Pinke stand vor dem Haus, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und
stritt wütend mit einem Detective, der einen Kammgarnanzug mit einer
Polizeimarke daran trug. Zwei Polizisten standen rechts und links von Mrs Pinke
und blickten gelangweilt drein.
Francesca bedachte den Polizisten, der sie so
unsanft nach unten befördert hatte, mit einem bösen Blick und rieb sich den
Ellenbogen. »Das gibt einen blauen Fleck«, sagte sie. »Ich werde eine solch
brutale Behandlung nicht einfach hinnehmen!«
»Francesca ...«, sagte Bragg warnend.
Sie zuckte leicht zusammen und wandte sich
ihm zu. Im selben Moment erblickte sie Joel, der hinter Bragg stand und von
einem Detective in einem schäbigen Anzug festgehalten wurde. Dem
Gesichtsausdruck des Jungen zufolge schien er Francesca dafür verantwortlich
zu machen, dass er wieder einmal in die Hände der Polizei gefallen war.
Doch er konnte sich wohl kaum so elend
fühlen, wie sie selbst es in diesem Moment tat. »Hallo, Bragg!«, brachte sie
hervor.
»Geht es Ihnen gut?« Er musterte sie von oben
bis unten.
Sie nickte überrascht, denn sie hatte eher mit einer wütenden
Reaktion gerechnet. War er etwa um ihr Wohlergehen besorgt? »Ich schätze, ich
habe es nicht anders verdient, als für ein Straßenmädchen gehalten zu werden.«
»So ist es«, erwiderte Bragg. In diesem Augenblick führte ein
weiterer Uniformierter Daisy und Rose von der Straße herein. Die beiden Frauen
zitterten vor Kälte in ihren seidenen Morgenröcken und den hochhackigen Pumps.
»Sind das die beiden Frauen?«, fragte der Commissioner.
»Ich nehme es an. Hab sie dabei erwischt, wie sie die Feuerleiter
aus dem Zimmer herabstiegen, von dem Sie sagten, dass sie da drin sein würden«,
erwiderte der Polizist. »Aber sie wollen ihre Namen nicht nennen.«
»Holen Sie ihnen zwei Decken«, befahl Bragg. Francesca beobachtete
ihn genau. Falls ihn Daisys ätherische Schönheit oder die nackten, wohlgeformten Beine von Rose gefielen, so ließ er es
sich nicht anmerken. »Sind Sie Daisy und Rose?«, fragte er.
Daisy hatte die Lippen fest zusammengepresst. Rose sagte: »Nein,
sind wir nich. Und wer zum Teufel bist du?«
Francesca zuckte unwillkürlich zusammen. Rose hatte ihre
Ausdrucksweise völlig verändert. Sie klang, als wäre sie in diesem Teil der
Stadt zur Welt gekommen und aufgewachsen. »Ich bekleide in dieser Stadt das
höchste Amt nach dem Bürgermeister«, erwiderte Bragg kühl. »Ich bin der
Commissioner der Polizei von New York.«
Rose schüttelte den Polizisten ab und trat
einen Schritt vor. Dabei öffnete sich ihr Morgenrock und Francesca sah, dass
sie
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